Unklar blieb aber zunächst, wo das Flugobjekt hergekommen war und welchem Zweck es diente. Der Vorfall erinnerte an den mutmaßlich für Spionagezwecke eingesetzten chinesischen Ballon, der vor einer Woche von der US-Luftwaffe vom Himmel geholt worden war. Ob es einen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen gab, war zunächst noch offen.
Das Flugobjekt sei am Donnerstagabend (Ortszeit) erstmals gesichtet worden, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby. US-Präsident Joe Biden sei sofort informiert worden und habe am Freitagmorgen den Abschussbefehl gegeben. Zuvor hatten sich US-Kampfjets dem Objekt genähert. Die Piloten hätten sichergestellt, dass das Flugobjekt unbemannt war. Der Abschuss erfolgte dann vor der Küste Alaskas nahe der kanadischen Grenze - unweit der Ölfelder von Prudhoe Bay. Auch die Regierung in Ottawa sei in das Vorhaben eingeweiht gewesen, erklärte der kanadische Premier Justin Trudeau. Nach Militärangaben stellte der Abschuss kein größeres Risiko für Menschen oder Gebäude am Boden dar.
Das Objekt hatte nach Angaben der US-Regierung ungefähr die Größe eines Kleinwagens. Damit war es viel kleiner als der chinesische Ballon, der eher so groß wie zwei bis drei Schulbusse war. Das Objekt soll ersten Erkenntnissen nach auch nicht selbst manövrierfähig gewesen sein. Es ist Kirby zufolge auch viel niedriger als der chinesische Ballon geflogen - dieser war in gut 18 Kilometern Höhe unterwegs gewesen. Anders als das nun abgeschossene Objekt war der Ballon damit oberhalb der maximalen Höhe des zivilen Flugverkehrs. CNN berichtete unter Berufung auf einen US-Regierungsvertreter, dass das Objekt wohl keine Überwachungsausrüstung gehabt habe.
Ein Rätsel war zunächst, wo das Objekt herkam. "Ich möchte noch einmal betonen, dass wir nicht wissen, wem dieses Objekt gehört", sagte Kirby. Die US-Regierung betonte außerdem, nicht zu wissen, welchen Zweck das Objekt verfolgt habe. "Vergangene Woche sprachen wir über ein Überwachungsobjekt, das absichtlich über das Festland der Vereinigten Staaten geflogen wurde", sagte Kirby. Dieses Mal ginge es um ein Objekt, über das man nicht viel wisse. Klar sei aber, dass das Objekt eine "potenzielle Bedrohung für die Sicherheit der Fluggäste" dargestellt habe. Die "New York Times" schrieb, mehrere US-Vertreter seien der Auffassung, dass es sich bei dem neuen Objekt ebenfalls um einen Ballon gehandelt habe. Ein Vertreter des Verteidigungsministeriums habe jedoch betont, dass das Objekt beim Aufprall auf das gefrorene Meer in Stücke zerbrochen sei.
Die US-Regierung erhofft sich nun weiteren Aufschluss durch die Bergung der Trümmer. Teile des Objekts seien nach dem Abschuss vor der Küste Alaskas nahe der kanadischen Grenze wohl auf ein zugefrorenes Gewässer gestürzt. Von Vorteil sei, dass sich die Trümmer aufgrund der geringen Größe des Objekts nicht so weit verteilt hätten, hieß es. Die Bergung dürfte sich aber trotzdem schwierig gestalten, schrieb die "Washington Post". Eine Reihe von Flugzeugen sei an der Absturzstelle im Einsatz. Problematisch werde es, wenn sie auf dem möglicherweise instabilem Eis nicht landen könnten, um die Trümmer einzusammeln.
Der Vorfall erinnert - trotz großer Unterschiede - an den Abschuss des chinesischen Ballons vergangenen Samstag. Das US-Militär hatte diesen mehrere Tage über amerikanisches Festland schweben lassen und dann vor der Küste des Bundesstaates South Carolina über dem Atlantik abgeschossen. Die USA werfen Chinas Regierung vor, sie habe damit Militäreinrichtungen ausspionieren wollen. Peking sprach dagegen von einem zivilen Forschungsballon, der vom Kurs abgekommen sei - und bezeichnete den Abschuss als "Überreaktion". Der Vorfall sorgte für zusätzliche Spannungen im ohnehin belasteten Verhältnis beider Länder. US-Präsident Biden war in dem Fall von den Republikanern dafür kritisiert worden, zu zögerlich gewesen zu sein. Nun lobten einige Republikaner den Demokraten für sein schnelles Handeln.
Im Jahr 2020 richtete das Verteidigungsministerium eine Arbeitsgruppe ein, die "ungeklärte Phänomene in der Luft, die möglicherweise eine Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA darstellen könnten", analysieren soll. Seitdem veröffentlicht die Gruppe in unregelmäßigen Abständen Berichte über "nicht identifizierte Luftphänomene" (Unidentified Aerial Phenomena, kurz: UAP) - zuletzt vor einigen Wochen. Daraus ging hervor, dass das US-Militär für zahlreiche Beobachtungen von unidentifizierten Flugobjekten keine Erklärung hat.
Andere Sichtungen hingegen waren als "unauffällig" gewertet worden - sie könnten auf gewöhnliche Objekte in der Luft zurückgeführt werden - etwa Drohnen, Ballons und Unrat wie Plastiktüten, hieß es in dem Bericht. Die Meldung von unerklärlichen Himmelsphänomenen habe zugenommen. Das Pentagon hatte aber deutlich gemacht, dass keine Beweise für außerirdisches Leben gefunden worden seien.
dp/pcl