Während der britische Premierminister Rishi Sunak die Demonstration vor diesem Hintergrund im Vorfeld als "respektlos" bezeichnete, entschied sich der Chef der Metropolitan Police, Sir Mark Rowley, gegen einen Antrag auf ein Verbot des Marsches beim Innenministerium. Stattdessen setzte er auf eine verstärkte Präsenz der Beamten in der Millionenmetropole. Nach Angaben der Londoner Polizei waren am vergangenen Wochenende mehr als 2000 Ordnungshüter in der Hauptstadt im Einsatz, auch um die jüdische Gemeinde zu beruhigen. Diese hätten ein Recht darauf, sich in ihrer Stadt sicher zu fühlen, hieß es vonseiten der Met.
Denn wenngleich die Demonstration trotz ihrer enormen Größe ganz überwiegend friedlich verlief, kam es laut der Polizei auch zu einigen "Hassverbrechen", etwa in Form von antisemitischen Plakaten. Nach Angaben der Metropolitan Police wurden 126 Personen festgenommen, davon mindestens 92 Rechtsextreme. Diese hatten sich am Samstagmorgen Auseinandersetzungen mit Beamten geliefert und versucht, sich den Weg zum Kriegerdenkmal "Cenotaph" im Londoner Regierungsviertel zu bahnen.
Die Ausschreitungen lösten am Sonntag in den britischen Medien eine erneute Debatte darüber aus, ob Innenministerin Suella Braverman mit einem provokanten Meinungsstück in der Tageszeitung "The Times" im Vorfeld der Großkundgebung die Stimmung bewusst angeheizt habe. Die konservative Politikerin hatte der Londoner Polizei - für die sie selbst verantwortlich ist - in der vergangenen Woche unter anderem vorgeworfen, auf dem linken Auge blind zu sein und Rechtsverstöße bei "Hassmärschen" gegen die israelische Bombardierung des Gazastreifens zu tolerieren.
Menschen, die an den samstäglichen Demonstrationen für die Palästinenser in London teilnahmen, wurden von der Innenministerin pauschal als "Islamisten" und "Mob" bezeichnet - und das, obwohl die Demonstrationen in London auch in den vergangenen Wochen weitgehend friedlich verliefen. Labour-Oppositionsführer Keir Starmer warf Braverman vor, mit ihren Äußerungen "Hass gesät" zu haben. Nur wenige Personen des öffentlichen Lebens hätten "in letzter Zeit mehr dazu beigetragen, die Gesellschaft zu spalten und die Briten gegeneinander aufzuhetzen", sagte er. Die Sonntagszeitung "Sunday Mirror" beurteilte dies ähnlich und forderte Premierminister Sunak auf, "sie jetzt hinauszuschmeißen".
Die konservative Hardlinerin hat in den vergangenen Monaten immer wieder provoziert. So bezeichnete sie kürzlich Obdachlosigkeit als "Lifestyle-Entscheidung". Auf dem Parteitag in Manchester Anfang Oktober warnte sie vor einem "Hurrikan" der Massenmigration und davor, dass die Labour-Partei nichts dagegen unternehme. Damit traf sie den Nerv der konservativen Parteibasis. Denn dort wünschen sich viele, dass die Zahl der illegalen Einwanderer auf null reduziert wird. Die Partei sei nach rechts gerückt, urteilte Sophie Stowers von der Denkfabrik "UK in a Changing Europe" damals gegenüber dieser Zeitung.
Der wahre Grund, warum Sunak Braverman bisher nicht gefeuert habe, sei, dass er mit ihrem Weltbild weitgehend übereinstimme, auch wenn er sich vorsichtiger äußere, kommentierte der britische Journalist Paul Waugh das Vorgehen des Regierungschefs. Beobachter spekulieren jedoch, ob es womöglich schon am heutigen Montag oder im Verlauf dieser Woche zu einer Umbildung des konservativen Kabinetts durch den Premier kommen könnte. Verteidigungsminister Grant Shapps jedenfalls wollte sich am gestrigen Sonntag nicht dazu äußern, ob Braverman in einigen Tagen noch im Amt sein wird.