In diesem Sommer wurde Metas Twitter-Alternative Threads noch als Heilsbringer gefeiert. Große Hoffnungen lagen auf dem Dienst, nachdem Elon Musk Twitter gekauft, in X umbenannt und Rechten und Bots die Türen geöffnet hatte. Wer keine Lust mehr auf Hetze und Trolls hatte, hatte plötzlich eine Alternative. Nun war Meta mit den großen Plattformen Facebook, Instagram und WhatsApp zwar auch immer wieder in der Kritik, vor allem in Sachen Datenschutz. Aber im Duell Mark Zuckerberg gegen Elon Musk war Zuckerberg das kleinere Übel.
Threads hatte, anders als etwa Mastodon, auch aufgrund seiner Anbindung an Meta von vornherein die Chance, zu einer wirklichen Alternative zu werden. Fünf Tage nach dem Launch in mehr als 100 Ländern im Juli 2023 hatte Threads bereits 100 Millionen Userinnen und User. Das schaffte kein anderes soziales Netzwerk in einem derart kurzen Zeitraum.
Doch die deutsche Twitter-Community blieb erst einmal außen vor. Denn Threads war in der EU offiziell nicht zugänglich. Zwar ließ sich über die amerikanischen App-Stores die App herunterladen und die App auch mit VPN nutzen, doch erlaubt war es nicht. Meta fürchtete die europäischen Datenschutzregeln. In den USA werden sehr persönliche Informationen der Nutzerinnen und Nutzer, etwa zu Gesundheit, Finanzen und der Browserverlauf, gespeichert und an Meta weitergeleitet. In der EU ist das nicht legal.
Doch nun, fünf Monate nach dem offiziellen Start, ist Threads nun in der EU und damit auch in Deutschland verfügbar. Ein großes Geheimnis machte der Konzern darum, wenngleich alle Informationen bekannt waren. Es handelt sich um einen textbasierten Dienst, 500 Zeichen pro Thread sind erlaubt, auch Fotos und bis zu fünf Minuten lange Videos können geteilt werden. Einzusehen ist das, wie auch beim heutigen X, in der Timeline. Zu Beginn war die noch nicht personalisiert, inzwischen lässt sich zwischen Empfehlungen und jenen, denen man selbst folgt, wählen. So werden entweder Inputs in den News-Feed gespült oder Kurztexte von denen, denen man folgt. War Threads zu Beginn nur als App nutzbar, kann es inzwischen auch am Desktop verwendet werden. Texte, die man schreibt, lassen sich auch in anderen Apps wie Instagram teilen.
Zum schnellen Wachstum von Threads trug sicherlich die Anbindung an Instagram bei, ein Netzwerk, das inzwischen immerhin 2,35 Milliarden monatlich aktive Nutzerinnen und Nutzer hat. So benötigt man für Threads kein eigenes Profil, man nutzt sein Instagram-Profil. So finden sich schnell Kontakte, die man auch auf Instagram hat und die Timeline kann schnell voll werden.
Doch in Deutschland sind die beliebtesten Instagram-Stars noch recht inaktiv. Einige der beliebtesten deutschen Instagram-Stars, etwa Bibi (auch auf Twitter einer der meistgefolgten deutschen Accounts), sind noch nicht auf Threads vertreten oder haben wie Influencerin Pamela Reif und Fußballstar Toni Kroos (der Deutsche mit den meisten Followern) erst einen Beitrag abgesetzt. Selbst auf Accounts, die schon vor dem offiziellen Start angelegt wurden, etwa vom Nachrichtenmagazin "Spiegel", von Model Heidi Klum, Moderator Jan Böhmermann oder Influencer Dominic Harrison, herrscht Schweigen.
Wer kein Instagram-Profil hat, kann bei Threads zwar lesen, aber nichts schreiben. Menschen, die sich nur für Threads interessieren, müssen sich demzufolge bei Instagram registrieren. Der Name ist identisch, somit lassen sich alle Nutzerinnen und Nutzer auf beiden Plattformen finden. Er ist auch nicht änderbar. Alle anderen Informationen, etwa zur eigenen Biografie oder ein Foto, lassen sich individuell gestalten. Auch kann auf beiden Plattformen separat entschieden werden, ob ein Profil öffentlich oder privat ist.
User, die ohnehin Bedenken ob ihrer Daten haben, könnte die Verknüpfung eher abschrecken. Zumal die Konten nicht wie bei Facebook und Instagram gekoppelt werden können oder auch nicht, sondern es automatisch bei Anmeldung sind.
Und dann wäre da ja noch Bluesky. Denn während sich in einigen Ländern der Welt auf Threads gestürzt wurde, wanderten die Deutschen Nutzerinnen und Nutzer zu Bluesky ab. Twitter-Gründer Jack Dorsey hat eine Plattform geschaffen, die aussieht und funktioniert wie Twitter. Viele Nutzerinnen und Nutzer zogen um, lobten den wertschätzenden Umgang miteinander, die sachlichen Diskussionen, eben all das, was bei X nicht mehr möglich ist.
Werden sie nun nach dem Versuch, zunächst Mastodon als Twitter-Alternative zu etablieren, und dem anschließenden Absprung zu Bluesky zu einer weiteren Plattform wechseln? Wer Instagram ohnehin nutzt, probiert es vielleicht aus, schaut es sich mal an. Doch nur, wenn ähnlich schnell ähnlich gute Inhalte wie einst auf Twitter da sein werden, werden die Menschen auch bleiben. So wirklich ersetzen wird auch Threads die Plattform nicht können. Zu gebündelt waren die Nutzerströme dort, zu viel Wissen, zu viel Mehrwert hatte die Plattform mit ihren 368 Millionen Userinnen und Usern. Und zu viele sind müde geworden ob der Entwicklung der sozialen Medien, ob dem Umgangston, ob den inzwischen vielen Plattformen. Und haben sich schlicht abgemeldet.
Viele Jahre lang sind Datenschützer in Deutschland und Europa an Mark Zuckerberg verzweifelt. Der große Entwickler von Social Media war immer einen Schritt schneller, schaffte trotz Warnungen und Drohungen mit Meta ein eigenes milliardenschweres Universum, das Facebook, Instagram, WhatsApp und Messenger unter einer Marke versammelt. Das Metaverse wuchs schneller als Gesetzesgeber Stopp sagen konnten. Doch mit Threads ist Zuckerberg nun womöglich doch an den Hürden des europäischen Datenschutzes gescheitert. Er war dieses Mal keinen Schritt voraus, er hat den richtigen Moment nicht erwischt.