Die Unfallstatistik verzeichne in der Altersgruppe über 70 keine signifikanten Zahlen bei schweren Unfällen, betonte der Minister. Viele ältere Menschen lebten auf dem Land. Für sie sei ein selbstbestimmtes Leben ohne Auto schwer möglich. Senioren würden in aller Regel auch nicht hunderte Kilometer über die Autobahn fahren. Viele nutzten das Auto, um den Supermarkt oder den Arzt im Nachbarort zu besuchen.
"Prüfungen auf Fahrtauglichkeit enthalten aber Aufgaben wie eine Fahrt von Berlin nach Hamburg. Das ist der objektive Maßstab." Daher halte er die von der EU-Kommission geplante Tauglichkeitsprüfung nicht für verhältnismäßig, betonte der Minister.
Der Entwurf einer neuen europäischen Verkehrsrichtlinie sieht vor, dass Autofahrerinnen und Autofahrer ab einem Alter von 70 Jahren alle fünf Jahre den Führerschein auffrischen müssen. Dabei soll auch ihr Gesundheitszustand durch eine verpflichtende ärztliche Untersuchung oder durch eine Selbsteinschätzung abgefragt werden - die EU-Mitgliedsstaaten sollen selbst entscheiden können, welche der beiden Varianten bei ihnen gelten sollen.
Wissing wandte sich in dem Interview auch gegen Forderungen, die Promillegrenze in Deutschland weiter zu senken. Tödliche Unfälle passierten zumeist nicht im niedrigen Promillebereich, sagte er den Funke-Zeitungen. Für Fahranfänger zwischen 17 und 21 Jahren gebe es bereits ein komplettes Alkoholverbot, und für alle anderen würden 0,5 Promille gelten. "Ich sehe keine Notwendigkeit, daran etwas zu ändern."
Es gebe das klare Gebot, beim Autofahren auf Alkohol zu verzichten. "Die Frage ist, ab welcher Grenze der Staat das nicht mehr in die Verantwortung seiner Bürger legen kann, sondern mit Strafmaßnahmen eingreifen muss", sagte der Verkehrsminister. "Ohne Eigenverantwortung funktioniert eine Gesellschaft nicht."