Die Frage lautete, ob die Bundeswehr ihr Kontingent in der ehemals serbischen Provinz Kosovo verstärken werde. Und sie kam nicht von ungefähr. Vor rund einer Woche hatte ein 30-köpfiger, schwer bewaffneter serbischer Kommandotrupp kosovarische Polizisten im Nordkosovo angegriffen. Dabei wurden drei serbische Angreifer sowie ein kosovarischer Polizist getötet. Zudem hat Belgrad zuletzt serbische Truppen rund um das Kosovo aufmarschieren lassen. Dies erinnert an den Aufmarsch russischer Soldaten an der Grenze zur Ukraine – bevor dort der Krieg ausbrach.
Die USA sprachen eine Warnung aus, die Bundesregierung ebenfalls. Offen ist, was daraus folgt und ob die Bundeswehr nun mehr Soldaten schickt, so wie es beispielsweise Großbritannien tut.
Sicher ist: Die jüngste Eskalation gilt als gravierendster Vorfall seit Ende des Krieges. Das heute fast ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo hatte sich 1999 mit Nato-Hilfe von Serbien abgespalten und 2008 für unabhängig erklärt. Mehr als 100 Länder, darunter Deutschland, erkennen die Unabhängigkeit an, nicht aber Serbien, das seine einstige Provinz zurückfordert. Bereits im Mai hatte es vor diesem Hintergrund Zusammenstöße gegeben, bei denen Nato-Soldaten und Kosovo-Serben verletzt wurden.
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), sagte nun: "Die personelle Obergrenze liegt laut Mandat ja bei 400 Soldatinnen und Soldaten. 85 Soldatinnen sind derzeit Teil von Kfor. Da ist also, ohne das Mandat verändern zu müssen, noch deutlich Luft nach oben." Die FDP-Politikerin fügte hinzu, der Ausschuss lasse sich regelmäßig über den Stand der Dinge berichten. "Sollte es also erforderlich werden, werden wir auch mehr Soldaten dorthin verlegen." Ähnlich hatte sich zuvor der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, der Grüne Anton Hofreiter, geäußert.
Unionsfraktionsvize Johann Wadephul sagte: "Das ist eine ernste Situation, in der sich viele Staaten wieder animiert fühlen, militärische Gewalt anzuwenden. Deshalb war das jüngste Signal an Serbien notwendig. Allerdings haben die Amerikaner wieder den Ausschlag gegeben." Auch deshalb fordere er Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) auf, sich des Themas stärker anzunehmen. Der CDU-Politiker sagte weiter: "Die Kfor-Truppe sollte aufgestockt werden. Denn das wirkt definitiv abschreckend. Niemand möchte sich mit Nato-Truppen anlegen. Die aktuellen Ereignisse zeigen auch, dass unsere jahrelange Präsenz dort richtig war."
Die EU-Außenminister treffen sich am Freitag im albanischen Tirana, um über den EU-Beitritt der Westbalkanländer Bosnien, Montenegro, Albanien, Serbien, Kosovo und Nordmazedonien zu beraten. Die Europäische Union hatte zuletzt einen Fokus auf die Ukraine gerichtet, die auf einen Beitritt im Schnellverfahren dringt. Dies hat die Länder der Region, die seit Jahren auf den Beitritt warten, frustriert. Zwar hat die EU der Ukraine deutlich gemacht, auch sie müsse die Beitrittskriterien erfüllen und könne keinen Rabatt erwarten, aber dennoch bleibt auf dem Balkan der Eindruck, es werde mit zweierlei Maß gemessen.
Bundeskanzler Olaf Scholz versuchte gegenzusteuern, indem er vor seinem Ukraine-Besuch auf den Westbalkan reiste. Derzeit ist Agrarminister Cem Özdemir vor Ort. Der Konflikt zwischen Serbien und dem Kosovo dürfte die EU-Konferenz jedenfalls überschatten. Baerbock forderte am Rande des Außenministertreffens in Kiew, Serbien müsse seine Truppen an der Grenze reduzieren.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth (SPD), drang gegenüber der EU darüber hinaus auf mehr Abstand von Serbien. "Überfällig ist eine Abkehr von der Politik der Äquidistanz zwischen Kosovo und Serbien", sagte er. "Die Außenministerinnen und Außenminister sollten weniger appellieren, sondern vor allem handeln. Ansonsten drohen neue Konflikte im Westbalkan." Roth fuhr fort: "Serbiens Präsident Aleksander Vucic muss endgültig ein sichtbares Stoppschild aufgestellt werden. Dazu könnte das Einfrieren von Finanzmitteln der EU gehören, mit denen der Annäherungsprozess an die EU unterstützt wird." Die Mittel für die Unterstützung der Zivilgesellschaft müssten dagegen weiter fließen.
Ob die Bundeswehr nun tatsächlich mehr Soldaten schickt oder nicht, bleibt zunächst unklar. Am Montag hieß es, die personell ohnehin sehr strapazierte Truppe sei bisher gar nicht im Nordkosovo präsent; überdies dürfe Serbien nicht so ohne Weiteres das Geschehen diktieren und das Kosovo ohne fremde Hilfe wehrlos erscheinen lassen. Ob es bei dieser Einschätzung bleibt, wird man bald sehen.