"Herzlich willkommen bei Schönreden TV", meinte er sarkastisch. Noch klarere Worte fand die anwesende Journalistin Eva Quadbeck: "Zur Wahrheit gehört dazu, dass eine Bundesregierung nie so schlecht dagestanden hat wie jetzt die Ampelregierung", analysierte sie die Lage. Dass die Grünen besser dastünden als die anderen hielt sie "für harten Tobak". Vielmehr bemängelte sie die fehlende Selbstkritik der Partei, die sich beim Parteitag in Karlsruhe gezeigte hatte.
Um Friedrich Merz sollte es bei Markus Lanz hingegen nicht gehen. Dass sein Name dennoch des Öfteren fiel, lag an Jürgen Trittin. Deutschland befände sich auf einem "schlimmen Weg", meinte der Grünen-Politiker, "dazu hat Herr Merz sehr viel beigetragen".
"Von den drei Ampelpartnern geht es den Grünen noch am besten", übte sich Jürgen Trittin gleich zu Beginn von Markus Lanz' Talkshow am Donnerstag, 30. November, in Optimismus. Als der Grünen-Politiker weiters versuchte, den schlechten Zustand der Ampelregierung und die miserablen Zustimmungsraten der Bevölkerung als "Midterm"-Phänomen abzutun, konnte sich der Moderator nicht mehr zurückhalten: "Herzlich willkommen bei Schönreden TV", meinte er sarkastisch.
Noch klarere Worte fand die anwesende Journalistin Eva Quadbeck: "Zur Wahrheit gehört dazu, dass eine Bundesregierung nie so schlecht dagestanden hat wie jetzt die Ampelregierung", analysierte sie die Lage. Dass die Grünen besser dastünden als die anderen hielt sie "für harten Tobak". Vielmehr bemängelte sie die fehlende Selbstkritik der Partei, die sich beim Parteitag in Karlsruhe gezeigte hatte.
"Immer, wenn es brenzelig wurde...", meinte sie. Nein, dann wurde nicht Pizza bestellt, wie Moderator Markus Lanz vorschlug. "Dann wurde Herr Merz zitiert", beendete Journalistin Eva Quadbeck den Satz, "man hatte sich daran gewärmt wie an einem Lagerfeuer, dass Herr Merz wirklich ein übler Bursche ist."
Sie könne diese Taktik verstehen, wenn die Union in der Regierung wäre und die Grünen in Opposition. Dass die Situation umgekehrt ist, mache das Ganze "nicht besonders ruhmreich". Jürgen Trittin sah das naturgemäß anders: Friedrich Merz lade dazu ein, konterte er. Dazu, diese Aussage zu begründen, kam er aber nicht. "Gucken Sie, jetzt haben Sie schon wieder geschickt von den Grünen abgelenkt", unterbrach ihn Quadbeck. Es sollte nicht das letzte Mal sein.
"Herr Merz hat gegen den Willen vieler Bundestagsmitglieder die CDU/CSU auf einen trumpistischen Kurs gebracht", ließ Trittin nicht von seinem Lieblingsthema ab. "Auf einen was?", fragte Moderator Lanz verblüfft nach und wollte wissen, ob er den Oppositionsführer als "deutschen Trump" bezeichnete.
So weit wollte Trittin nicht gehen. Vielmehr wäre die Grundlinie von Merz "trumpistisch". "Das habe ich schon auf dem Parteitag gesagt", ergänzte der Politiker mit sichtlichem Vergnügen. "Da gehört es ja auch hin. Wir haben ja gerade gehört, der Parteitag dient nicht der Selbstkritik, sondern der Autosuggestion. Aber nochmals, Sie sagen das hier im Fernsehen? Trumpistisch?", konnte Lanz seinen Ohren weiterhin nicht trauen.
Doch Trittin ließ sich nicht beirren. "Ja", kam seine Antwort prompt, und auch eine Definition hatte er dafür parat: Merz treibe seine Partei in eine politische Alleinregierung rein, die er am Ende nur gewinnen könne, wenn er eine Mehrheit für eine Alleinregierung habe. "Er macht alle Wege in andere Richtungen zu", beschrieb er diese "Opposition um jeden Preis, egal, was dabei rauskommt".
Dass Journalistin Quadbeck das nicht so sah, wurde nebensächlich. "Jetzt reden wir schon wieder von Merz. Merken Sie", meinte Lanz zur Expertin, "jetzt sind wir voll in die Falle getappt - in seine Falle". Dass sich diese Anschuldigung auf ihn bezog, nahm Trittin sichtlich gelassen: "Ich stelle doch keine Fallen, was unterstellen Sie mir?", spielte er den Empörten. Da musste auch Lanz laut auflachen: "Genau, Unverschämtheit, was erlauben Sie sich."
Ganz so humorvoll und flapsig war die Stimmung nicht den ganzen Abend lang. Insbesondere dann nicht, als es um die Asyl- und Migrationspolitik ging. Und auch Trittin wurde ernster: Mehr Sorge als der Zerfall der Ampel mache ihm, "dass das passiert, was in den Niederlanden passiert." Dort wären alle Probleme - von zu hohen Hauspreisen bis zu ungenügenden Renten auf die Asylfrage projiziert worden.
Die Folge war, dass mit Geert Wilders ein Rechtspopulist den Wahlsieg davongetragen hatte. "Auf dem Weg sind wir in Deutschland leider auch", stellte Trittin fest, konnte sich den Seitenhieb auf den Oppositionsführer aber auch diesmal nicht verkneifen: "Dazu hat Herr Merz sehr viel beigetragen mit dem Gerede von den Zahnärzten, wo er den Termin nicht kriegt, mit dem Gerede von den Sozialtouristen, die angeblich aus touristischen Gründen die Ukraine verlassen haben. Da würde ich sagen, da sind wir auf einem schlimmen Weg." Es ginge an diesem Abend nicht um Friedrich Merz, musste ihn Moderator Lanz erinnern.
Nein, es ging an diesem Abend um Herausforderungen wie die Asyl- und Migrationspolitik. "Wir müssen Menschen einen Weg aufzeigen, wie sie legal oder regulär zu uns kommen können", plädierte Nahost-Expertin Kristin Helberg für einen neuen Blickwinkel, denn Arbeitskräfte würden in Deutschland auch in Zukunft gebraucht. Nicht nur deshalb warnte sie davor, sich "treiben zu lassen von rechts außen in Richtung: wir schieben mehr ab".
Sie könnte sich vorstellen, dass Asylanträge außerhalb Europas gestellt werden und dort eine Vorprüfung stattfinden könnte. "Damit verhindere ich, dass sie auf illegalem Weg hierherkommen und einen Asylantrag stellen, der sowieso abgelehnt wird", argumentierte sie. Moderator Lanz konnte sie damit allerdings nicht überzeugen ("Das sagen Sie so, Frau Helberg"). Aber was hielte jemanden, dessen Vorantrag abgelehnt würde, davon ab, den Weg übers Boot zu versuchen?, wollte er mehrfach wissen. Eine für ihn befriedigende Antwort erhielt er auch nach minutenlangem Hin und Her nicht.
Neben einem "neuen System" für Asylanträge argumentierte Helberg auch dafür, mit dem Nahostkonflikt vorsichtiger umzugehen und den Diskurs nicht zu verengen. "Wir wollen erreichen, dass alle Menschen in Deutschland jüdisches Leben in Deutschland schützen", nannte sie das oberste Ziel. Weiters sollten alle das Existenzrecht Israels anerkennen. Dafür bräuchte es ihrer Ansicht nach eine präzisere Formulierung von Staatsräson: Diese dürfte nicht zur "Solidarität mit der aktuellen Regierung in der Art und Weise, wie dieser Krieg geführt wird", verengen. "Wir machen jahrelange Integrationsarbeit kaputt damit" und es bestünde die Gefahr, dass die "Gefühlslage dieser Menschen", dieser Frust, Extremisten überlassen werde.
"Die Verbindung zwischen terroristischer Radikalisierung und einem Verbot von Demonstrationen" konnte Islamwissenschaftler Guido Steinberg nicht bestätigen. Vorsicht wäre aber auch seiner Meinung nach angebracht: "Wenn der Konflikt im Nahen Osten eskaliert, dann müssen wir damit rechnen, dass die Hamas, die Hisbollah ihre Leute losschicken, und dann sind wir nicht mehr bei den Einzeltätern der letzten Jahre, dann haben wir es mit Gruppierungen zu tun, und das ist aus meiner Sicht eine sehr große Gefahr für die nächsten Monate", warnte er. "Viel gelernt" hatte an diesem Abend nicht nur Markus Lanz.