Präsident Bernd Neuendorf, sein Vize Hans-Joachim Watzke und Völler steckten noch in der Nacht nach dem Debakel im Mannschaftshotel "Ritz Carlton" die Köpfe zusammen. Sie sind diejenigen, die das Sportliche zu verantworten haben. Neuendorf hat bei seinem Amtsantritt zwar die sogenannte "Richtlinienkompetenz", also letzte Entscheidungsgewalt zurückbekommen, will davon aber auch nicht zwingend Gebrauch machen. Zumal davon auszugehen ist, dass er im Falle - welcher Lösung auch immer – das restliche Präsidium hinter sich weiß.
Rekordnationalspieler Lothar Matthäus sagte bei RTL: "Ob man Hansi jetzt noch halten kann, das bezweifle ich." Allerdings käme es einer Harakiri-Aktion gleich, den potenziellen Flick-Nachfolger mit einer komplett verunsicherten Mannschaft in eine weitere Klatsche am Dienstag gegen die aktuell wohl beste Mannschaft der Welt, die Franzosen zu jagen. Würde man Flick kurzfristig rauswerfen und einen seiner Assistenten (Danny Röhl oder Marcus Sorg) interimistisch auf die Bank setzen, würde man einen wichtigen Test auf dem Weg zur EM quasi abschenken. Von daher ist davon auszugehen, dass Flick die Partie gegen "Les bleus" noch bekommt und diese endgültig über seine Zukunft entscheidet. Dafür spricht auch, dass der DFB am Sonntagmorgen bestätigte, Flick werde wie geplant das öffentliche Training am Vormittag auf dem Gelände des VfL Wolfsburg leiten.
Zwar spricht aktuell wenig dafür, warum ausgerechnet gegen Frankreich der Turnaround gelingen sollte, nachdem es zuletzt erstmals seit 1985 drei Niederlagen in Folge und gerade mal vier (!) Siege aus den letzten 17 Spielen gab. Doch sollte es zur Überraschung kommen und die Mannschaft einen leidenschaftlichen Auftritt in Dortmund hinlegen, könnte Flick den Kopf möglicherweise doch noch mal aus der Schlinge ziehen. Dann ist es zumindest denkbar, dass er auch noch die USA-Reise im Oktober mit den Tests gegen die Amerikaner und Mexiko antreten darf.
Julian Nagelsmann, Oliver Glasner und Matthias Samer waren die Namen, die aus dem DFB-Umfeld bereits in den vergangenen Tagen immer wieder zu hören waren und theoretisch verfügbar wären – im Gegenteil zur Wunschlösung der meisten Deutschen, Jürgen Klopp. Der Liverpool-Coach hatte das Amt des Bundestrainers bis zuletzt zwar immer wieder als "hochinteressant" bezeichnet, aber ebenso darauf verwiesen, seinen bis 2026 gültigen Vertrag bei den "Reds" erfüllen zu wollen. Auch eine mögliche "Doppelfunktion bis und bei der EM scheint derzeit ziemlich ausgeschlossen.
Nagelsmann müsste ebenfalls aus seinem auf Eis gelegten Kontrakt beim FC Bayern (bis 2026) herausgekauft werden. Für den klammen Verband eine fast unlösbare Aufgabe. Es sei denn, die Münchner kämen dem DFB entgegen. Glasner wäre dagegen auf dem Markt, als erster Nicht-Deutscher Bundestrainer trotz gleicher Muttersprache aber ein Novum und eigentlich nicht in den Plänen vorgesehen.
Sammer hätte als ehemaliger DFB-Sportdirektor den Vorteil, den Verband und die Strukturen bestens zu kennen, zudem hat er mit Watzke und Völler ein exzellentes Verhältnis, arbeitet aktuell mit Ersterem als externer Berater beim BVB zusammen. Nach seinem Schlaganfall 2016 hatte er eine Rückkehr ins operative Geschäft zwar ausgeschlossen, doch eine kurze, zeitlich bis nach der EM begrenzte Lösung könnte eine Option sein, so munkelt man zumindest.
dp/wa