Derartige Aussagen wiederholen sich. Schon der ehemalige US-Präsident Donald Trump spottete immer wieder über den Klimawandel, sobald es mancherorts in den USA zu kalten Temperaturen und stärkeren Schneefällen im Winter kam. Zusammengefasst lautet das Argument immer: Wenn es kalt genug für Schnee ist, könne der Klimawandel ja nicht so schlimm sein, wenn es ihn denn überhaupt gebe. Doch diese Aussagen lassen sich aus mehreren guten Gründen widerlegen.
"Die Tatsache, dass es schneit, widerspricht in keinster Weise dem Klimawandel", stellt Klimawissenschaftler Karsten Haustein vom Institut für Meteorologie an der Universität Leipzig klar. Schon allein deshalb nicht, weil einzelne Schneefälle – auch die stärkeren – nur wenig über das Gesamtbild aussagen. Denn statistisch gesehen kommt es inzwischen insgesamt viel seltener zu Schneefällen als früher, auch in Deutschland.
"Wir haben über die letzten Jahrzehnte deutlich gesehen, dass Schneefälle insbesondere in den Mittelgebirgen zurückgegangen sind", sagt Andreas Walter vom Deutschen Wetterdienst (DWD). "Auch in den Alpen, insbesondere im Alpenvorland, verzeichnen wir deutlich weniger Schneefälle." Der DWD verdeutlicht das anhand der bundesweit gemessen Schneetage. Darunter sind Tage mit einer mindestens drei Zentimeter dicken Schneedecke zu verstehen. Die DWD-Stationen in niedrigen bis mittleren Lagen maßen zwischen 1961 und 2021 im Schnitt 65 Prozent bis 50 Prozent weniger Schneetage. In den Hochlagen waren es 30 Prozent weniger im gleichen Zeitraum.
Diese Entwicklung ist auch ein Resultat davon, dass die jährlichen Durchschnittstemperaturen im Zuge des Klimawandels wärmer werden. Die Lufttemperatur stieg im Flächenmittel von Deutschland laut DWD von 1881 bis 2022 um 1,7 Grad an. Global gesehen lag die Erderwärmung im vergangenen Jahr laut der Weltorganisation für Meteorologie bei 1,15 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau.
Die Winter werden also im Schnitt wärmer – und damit wird die Wahrscheinlichkeit geringer, dass Schnee fällt. Aber sie liegt eben nicht bei null. "Solange wir Temperaturen unter 0 Grad erreichen, kann es selbstverständlich noch schneien", sagt Haustein. Es kann auch immer wieder zu außergewöhnlich schneereichen Tagen im Winter kommen. Zum Beispiel gab es im Jahr 2010 in allen Höhenlagen in Deutschland vergleichsweise viele Schneetage. Doch das ändert nichts an der Entwicklung, dass die Erderwärmung voranschreitet und auch die Winter insgesamt im Schnitt wärmer werden. Denn wie Expertinnen und Experten immer wieder betonen: Wetter ist nicht gleich Klima.
"Die Schneefälle mit über 40 Zentimeter Schnee in München – das war ein Beispiel für Wetter", sagt Andreas Walter vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Wetter beschreibt das, was zu einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit in der Atmosphäre passiert: etwa warmer Sonnenschein, Wolken, Regen, oder eben Schnee bei eisigen Temperaturen. Es ist das Resultat verschiedener Faktoren. Bei den extrem starken Schneefällen im Süden Deutschlands waren etwa zwei Luftmassen aufeinandergeprallt. "Eine sehr milde und feuchte Luftmasse traf auf eine sehr kalte. Dadurch kam es zu sogenannten Aufgleitniederschlägen: die feuchten Luftmassen kühlen ab, das Resultat sind extreme Schneefälle", sagt Walter.
Klima beschreibt dagegen das durchschnittliche Wetter über mehrere Jahrzehnte. Nach den Richtlinien der Weltorganisation für Meteorologie werden dafür verschiedene Wetterbeobachtungen der vergangenen 30 Jahre erfasst. Um das Klima im Winter an einem Ort zu beschreiben, messen Klimafachleute also verschiedene Werte der vergangenen 30 meteorologischen Winter – also jeweils im Dezember, Januar und Februar. Sie erfassen dabei beispielsweise die tägliche Temperatur, Niederschlagsmenge und Sonnenscheindauer. Aus den daraus ermittelten Durchschnittswerten können Fachleute Aussagen über Veränderungen des Klimas, also unter anderem über die Durchschnittstemperatur sowie die Häufigkeit und Wahrscheinlichkeit von Wetterlagen treffen.
So weit, so theoretisch. Was sagt das nun über die außergewöhnlichen Temperaturen und Schneefälle im Süden Deutschlands aus? Vor allem, dass einzelne Wetterlagen wie diese noch nichts über das Klima oder den Klimawandel aussagen. Es handelt sich um Wetterereignisse, die es früher auch schon gegeben hat, die aber seltener geworden sind. Und sie bedeuten nicht, dass der jetzige Winter besonders warm ausfallen wird. Er könnte womöglich sogar insgesamt wärmer als andere werden, obwohl der Wintereinbruch in diesem Jahr bereits früh begonnen hat. "Es wäre nicht das erste Jahr, in dem der Winter kalt anfängt, aber die restlichen Monate mild bleiben", sagt Haustein.
Nun bleibt noch eine Frage offen: Warum kann es in Zeiten des Klimawandels immer noch derart heftig schneien wie aktuell im Süden Deutschlands? "Auch wenn teilweise Rekorde gebrochen wurden – etwa die Menge an Neuschnee innerhalb von 24 Stunden in München – widerspricht das nicht dem Klimawandel", betont Walter vom DWD. Im Zuge des Klimawandels und der steigenden Durchschnittstemperatur nähmen wärmere Extremereignisse zwar zu. "Aber kalte Extremereignisse nehmen nicht so deutlich ab. Im Endeffekt unterstützt das die Annahme, dass mit einer höheren Mitteltemperatur eine größere Klimavariabilität zu erwarten ist", sagt Walter.
Klimavariabilität beschreibt vereinfacht gesagt kurzfristige Schwankungen des Klimas. Das können beispielsweise außergewöhnliche Abweichungen von der durchschnittlichen Temperatur an bestimmten Orten zu bestimmten Zeitpunkten sein. Oder aber auch Änderungen der Häufigkeit von Extremwetterereignissen – also etwa von Starkregen, Dürre oder schweren Schneefällen. Forschende haben beobachtet, das extreme Wetterereignisse wie Starkregen und Hitzewellen in den vergangenen Jahrzehnten bereits häufiger wurden. Vereinzelt wurden auch Rekordschneefälle beobachtet – etwa 2014 in einigen Regionen Kanadas. Allerdings fehlt es aktuell noch an Daten, um sicher beurteilen zu können, ob die Häufigkeit von starken Schneefällen im Zuge des Klimawandels zunimmt. "Diese Ereignisse finden schließlich nur sehr selten statt", sagt Haustein.
Unabhängig von derartigen Extremwetterereignissen könnte der Klimawandel aber dazu beitragen, dass es heftiger schneit – auch wenn es weniger Schneetage gibt. "Die Ozeane werden immer wärmer und die Feuchte, die dabei generiert wird, kann Niederschläge verstärken", sagt Haustein. Die Faustformel sei, dass jeder Grad Erwärmung mit sieben Prozent mehr Niederschlag einhergehe. "Wenn wir also über den Ozeanen ein bis anderthalb Grad mehr haben, gibt es durchaus Potenzial für 10 Prozent mehr Schnee – das entspricht einigen Zentimetern mehr Schnee", sagt der Experte.