Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff sagte: "Wir müssen uns inhaltlich mit dieser Partei auseinandersetzen, wir müssen sie stellen und dürfen ihr auch beim Thema Migration nicht ausweichen." Ein AfD-Verbotsverfahren sei keine Option, da die AfD sich eine Märtyrerrolle zuschreiben würde.
Mario Voigt, Partei- und Fraktionschef in Thüringen, betonte nun: "Die Isolationsbestrebungen und Untergangsfantasien der AfD für Europa sind Gift für unsere international vernetzten Betriebe und Unternehmen." Man müsse den Mut haben, eine inhaltliche Debatte mit der AfD zu führen.
Brandenburgs CDU-Chef Jan Redmann forderte von seiner eigenen Partei: "Raus aus der Politikblase und rein in den Dialog mit den Menschen im Land. Im Osten kennen die Menschen Parteien oft nur noch aus Talkshows im Fernsehen." Franz-Robert Liskow, Partei- und Fraktionschef der CDU in Mecklenburg-Vorpommern, sagte, für brisante Themen wie Migration und Energiepolitik brauche es "vernünftige Antworten".
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) kündigte unterdessen eine Kandidatenliste für die Thüringer Landtagswahl an. Wagenknecht sieht allerdings die Thüringer Linke mit ihrem Ministerpräsidenten Bodo Ramelow nicht als Gegner. "Ich führe keinen Wahlkampf gegen Bodo Ramelow, auch wenn wir einzelne Fragen unterschiedlich sehen und ich seine Befürwortung von Waffenlieferungen an die Ukraine nicht teile", sagte Wagenknecht der "Thüringer Allgemeine".
"Wir haben so viele kompetente Mitstreiter, so viele engagierte Unterstützer, dass ich inzwischen sicher sagen kann: Das BSW tritt zur Landtagswahl in Thüringen an. Am Freitag war bekannt geworden, das Eisenachs Linke-Oberbürgermeisterin Katja Wolf ihre bisherige Partei verlassen und zum BSW wechseln will.
Zur AfD zog Wagenknecht eine Trennlinie, sprach sich aber gegen Pauschalurteile zu ihren Wählern aus. AfD-Partei- und Fraktionschef Björn Höcke nannte sie einen Rechtsextremisten - "mit solchen Leuten habe ich nichts zu tun". Sie differenziere zwischen AfD-Funktionären und ihren Wählern. "Es ist absurd und arrogant, sie alle als Nazis abzustempeln, statt sich damit zu beschäftigen, warum viele so wütend sind", sagte Wagenknecht der Zeitung. Sie schloss aus, das das BSW Extremisten aufnimmt - "egal woher sie kommen".
"Natürlich wünsche ich mir, dass wir auch Wähler der AfD überzeugen", sagte Wagenknecht. "Das könnte dazu beitragen, dass Thüringen wieder regierbar wird, mit einer Koalition, die eine parlamentarische aber auch gesellschaftliche Mehrheit hinter sich hat." Eine Koalition mit "Rechtsextremisten wie Herrn Höcke" sei aber ausgeschlossen.
Wagenknecht hat nach eigenen Angaben jahrelang E-Mail-Kontakt mit dem Initiator des kürzlich bekannt gewordenen Potsdamer Geheimtreffens mit AfD-Mitgliedern, Gernot Mörig, gehabt. Mörig habe Wagenknecht "nette Mails" geschrieben, sagte Wagenknecht am Mittwochabend in der ZDF-Sendung "Markus Lanz". Sie habe aber zu dem Zeitpunkt "nicht gewusst, dass er ein Rechtsradikaler ist".
Vor etwa zehn Jahren habe Mörig ihr ein Treffen mit einem Kabarettisten in einem Restaurant vermittelt, an dem er selbst teilgenommen habe, sagte Wagenknecht, die damals noch stellvertretende Fraktionschefin der Linkspartei im Bundestag war. Seitdem habe Mörig "einen sehr guten Leumund" bei ihr gehabt und ihr "immer mal wieder Mails geschickt". Dadurch habe sie den Namen gekannt, "als er jetzt in der Presse war", sagte Wagenknecht. Über den rechtsradikalen Hintergrund Mörigs sei sie überrascht gewesen. Mörig führte in den 70er-Jahren den rechtsextremen "Bund Heimattreue Jugend".
In den Mails soll sich Mörig Wagenknecht zufolge etwa über ihre Talkshow-Auftritte und Bundestagsreden geäußert und diese oft gelobt haben. Der letzte E-Mail-Kontakt sei "mindestens Monate, eher Jahre" her, betonte Wagenknecht und konkretisierte später "wenn ich mich richtig erinnere: ein Jahr, zwei". Einen Austausch im Zusammenhang mit der Gründung des BSW habe es nicht gegeben. "Meines Wissens nach hat er keinen Mitgliedsantrag gestellt", sagte Wagenknecht.
Zusammen mit dem Unternehmer Hans Christian Limmer soll der Düsseldorfer Zahnarzt Mörig das Geheimtreffen in einer Potsdamer Villa im November 2023 organisiert haben. Nach Enthüllungen des Netzwerks Correctiv wurde dabei die Vertreibung von Millionen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte aus Deutschland besprochen. Der Einladung waren den Recherchen zufolge unter anderem Unternehmer, AfD-Politiker und zwei nordrhein-westfälische Vertreterinnen des rechtskonservativen Vereins Werteunion gefolgt, die auch CDU-Mitglieder sein sollen. In der Debatte sei zuletzt immer wieder an die Wannseekonferenz erinnert worden.
Bei der Wannseekonferenz hatten hohe NS-Funktionäre vor 82 Jahren über die systematische Ermordung von bis zu elf Millionen Juden Europas beraten. Ziel der Besprechung in einer Villa am Wannsee war es, die Umsetzung des Völkermords zu beschleunigen.
CDU-Chef Friedrich Merz lehnt Vergleiche zwischen dem kürzlich bekanntgewordenen Treffen Rechtsradikaler in Potsdam und der Wannseekonferenz der Nationalsozialisten als unhistorisch ab. Über die Wannseekonferenz vom 20. Januar 1942 schrieb Merz am Sonntag in seinem Newsletter: "Da saßen nicht einige verirrte Geister zusammen, das waren sie auch; aber es waren vor allem die maßgeblichen Verbrecher des SS-Staates, der sich fest in der Hand der Nationalsozialisten befand." Dort sei "die längst begonnene, systematische Vertreibung und Ermordung der Juden in Europa noch einmal beschleunigt" und der Übergang auf die "genozidale Vergasung" beschlossen worden. Merz verwies in diesem Zusammenhang auf das Werk "Weltenbrand" des britischen Historikers Richard Overy.
Merz schrieb nun, jeder Vergleich mit dem NS-Regime relativiere nicht nur den Holocaust und die Grauen des Mordes an sechs Millionen Juden. Zudem führten die Vergleiche auch zu den falschen Schlüssen. Anders als in der Weimarer Republik gebe es heute eine wehrhafte Demokratie. Die vielen Menschen auf den Demonstrationen gegen rechts der vergangenen Tage seien dafür ein Beleg. Auch wenn die AfD bei 30 Prozent oder mehr liege, wählten zwei Drittel der Bürger eine demokratische Partei.