Die Einwanderung von Fachkräften aus dem Ausland soll weiter vorangetrieben werden. "Mit dem angekündigten Deutschland-Pakt wacht die Bundesregierung endlich auf", kommentierte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger in der "Rheinischen Post" (Donnerstag) Scholz' Ankündigung. Zu lange habe die Ampel-Regierung die Digitalisierung verschlafen und an bürokratischen Hürden für Wirtschaft und Gesellschaft festgehalten, bemängelte Dulger. "Gemeinsam mit den Ländern muss sie das Maßnahmenpaket jetzt schnell auf den Weg bringen. Ankündigungen sind keine Taten", mahnte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).
Unionsfraktionschef Friedrich Merz zeigte sich ebenfalls aufgeschlossen. "Wir, die Opposition, sind selbstverständlich bereit, vernünftige Vorschläge mitzumachen", sagte der CDU-Chef bei "RTL Direkt". "Der Bundeskanzler hat recht, aber da muss er zunächst einmal Ordnung in seiner eigenen Koalition suchen", fügte Merz hinzu. "Sucht er jetzt eine Mehrheit außerhalb seiner eigenen Koalition", fragte der CDU-Politiker.
Der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) will in dem von Bundeskanzler Scholz angeregten "Deutschland-Pakt" das Bekenntnis von Bund und Ländern durchsetzen, die bestehenden Steuern, Abgaben und Regeln nicht auszuweiten. Ein solches "Belastungsmoratorium" wäre das zentrale Anliegen seines Bundeslandes in einem solchen Bündnis, sagte Ramelow. "Im Grundsatz bin ich sehr für Entbürokratisierungen, Verwaltungsvereinfachung und Nutzung der digitalen Möglichkeiten, um Abläufe zu vereinfachen, zu beschleunigen und schlanker zu gestalten", sagte der Ministerpräsident dem RND. Seine Landesregierung habe jüngst bereits in ihrem Jahresgespräch versprochen, zu diesem Zweck auf ein Belastungsmoratorium hinzuwirken, so Ramelow. "Deshalb werden wir die Chance nutzen, mit dem Deutschland-Pakt offensiv darauf zu drängen." Er räumte dabei ein, dass ein solcher Stopp neuer Belastungen auch die eigene Landesverwaltung betreffen müsse.
Inhaltlich bewertet die Fraktionsspitze den Vorstoß von Scholz aber skeptisch und verweist darauf, dass einige Punkte daraus von Länderseite seit längerem gefordert werden. "Im Kanzleramt nichts Neues" steht als Überschrift über einem sogenannten Blitz-Briefing des Leitungs- und Planungsstabs von Fraktionschef Merz. Es liegt der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vor.
"Der Vorschlag enthält mehrere Vorhaben zu Planungsbeschleunigung, Wachstumsförderung, Digitalisierung und Migration. Keines der im "Pakt" genannten Vorhaben ist neu", heißt es in der Analyse. "Sämtliche Vorschläge sind bereits früher kommuniziert worden. Zahlreiche der genannten Vorhaben werden bereits seit Monaten von der Bundesregierung verschleppt." Die Bundesregierung müsse in diesen besonderen Zeiten nach außen die Freiheit Deutschlands sichern und im Inneren den Wohlstand des Landes erhalten. "Der vorliegende Vorschlag für einen "Deutschland-Pakt" wird diesem Anspruch in keiner Weise gerecht", lautet die Analyse.
Als konstruktive Opposition stehe die Union jederzeit für Gespräche zur Verfügung, um die richtigen politischen Entscheidungen für Deutschland zu treffen, heißt es in dem Briefing weiter. Man werde bereits in der nächsten Sitzungswoche eine Reihe von Maßnahmen zur Wirtschaftspolitik zur Abstimmung stellen. "Auch werden wir Maßnahmen im Bereich der Migrationspolitik zur Abstimmung stellen, die der Bundeskanzler bereits mit den Ministerpräsidenten vereinbart, aber immer noch nicht umgesetzt hat. Wir werden sehen, wie ernst es die Ampel mit dem Angebot zur Zusammenarbeit meint."
Unionsfraktionsvize Jens Spahn kritisierte den Vorschlag. Er sagte bei den Haushaltsberatungen im Bundestag, der "Deutschland-Pakt" sei ein "Offenbarungseid". "Das Problem ist nicht, dass wir eine Krise haben, die den großen Schulterschluss benötigt. Das Problem ist, dass wir eine Regierung haben, die in der Krise nicht funktioniert." Der "Deutschland-Pakt" sei in Wahrheit ein Misstrauensvotum des Kanzlers gegen seine eigene Koalition, sagte Spahn. Vieles in dem Pakt könnte die Koalition mit ihrer Mehrheit machen, sie sei aber zerstritten und zerrüttet. "Sie vertrauen einander nicht mehr."
Spahn sagte weiter, der "Deutschland-Pakt" sei eine Auflistung von Projekten, bei denen die Ampel-Koalition seit Monaten nicht vorankomme. Er sprach von einem "Bonsai-Paket". "Das ist bestenfalls ein PR-Gag, nur eine neue Verpackung, aber nicht neue Politik." Die Bundesregierung solle konkrete Maßnahmen vorlegen. "Sinnvolle Gesetze sind noch nie an der Union gescheitert, sie scheitern an Ihrer eigenen Koalition." Der CDU-Politiker schlug der Koalition drei Pakte vor. Er sprach von einem "Pakt für Wachstum": Energiekosten runter, Kernkraftwerke wieder ans Netz, Stromsteuer runter. Spahn schlug weiter einen "Pakt für Leistung und Fleiß" vor: eine Belastungsgrenze bei den Sozialabgaben, Steuerfreiheit bei Überstunden, eine Reform beim Bürgergeld. Spahn nannte außerdem einen "Pakt für sichere Grenzen und gegen illegale Migration".
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer betonte mit Blick auf den Scholz-Vorstoß: "Wir sollten da mitwirken." Aus staatsbürgerlicher Verantwortung sollte man Ja sagen zu solchen Gesprächen und auch keine Vorbedingungen stellen, sagte der CDU-Politiker in den ARD-"Tagesthemen". Über den Vorschlag wollten die Ministerpräsidenten der Länder auch auf ihrer bis Donnerstag dauernden Konferenz in Brüssel sprechen.
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hatte sich am Mittwoch ebenfalls offen für einen "Deutschland-Pakt" gezeigt, aber erklärt, dafür sei eine "handlungsfähige und anpackende Bundesregierung" nötig. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sagte: "Jetzt darf es nicht nur bei großen Worten bleiben, ich erwarte, dass der Kanzler seinen Ankündigungen Taten folgen lässt. Die Länder stehen bereit." Günther zeigte sich zugleich "verwundert" über den Vorschlag von Scholz. Die Bundesländer drängten seit anderthalb Jahren auf einen solchen Pakt, die Bundesregierung habe hier wertvolle Zeit verstreichen lassen.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte den Vorschlag von Scholz als "PR-Gag" bezeichnet und sich "veräppelt" gefühlt. Es gehe dabei um schon geplante Projekte und die von den Ländern seit langem gefordert werden, sagte Wüst der "Rheinischen Post". Zustimmung erhielt Scholz von der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer, wie Scholz SPD-Mitglied, sowie von Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann von den Grünen.
Der Städte- und Gemeindebund vermisst im "Deutschland-Pakt" neue Ansätze. Alles, was Scholz zu dem Vorhaben gesagt habe, "das wird jeder unterschreiben. Aber man muss ehrlich sein, das ist alter Wein in neuen Schläuchen", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg am Donnerstag im WDR. Der Städte- und Gemeindebund habe schon 2020 ein Investitionsvorrangsgesetz gefordert, um etwa Beteiligungsverfahren zu verkürzen.
"Die Probleme sind eigentlich alle bekannt. Die Frage ist nur, haben wir in Deutschland den politischen Willen - übrigens nicht nur Bund, Länder und Kommunen, sondern auch die Menschen - das anzugehen? Und da bin ich leider nicht so sicher", sagte Landsberg. In Deutschland habe man "so ein Bingo: Immer ist der andere schuld."
ag/pcl