Doch obwohl sich die EU‑Institutionen bereits geeinigt haben, blockieren nun mehrere Staaten die vorläufige Entscheidung. Abgeordnete sind überzeugt, dass die mächtige Lobby der Plattformbetreiber ihre Finger im Spiel hat. Macht Uber das Gesetz?
Fast jeden Monat gibt es in Deutschland und anderen EU‑Ländern Demonstrationen gegen die Ausbeutung von Beschäftigten, die über Onlineplattformen Geld verdienen. Im August zogen Lieferando-Fahrer und ‑Fahrerinnen vor die Firmenzentrale in Berlin, im Oktober protestierten rund 500 Taxifahrerinnen und Taxifahrer in Köln gegen die Praktiken des Konkurrenten Uber, dem sie "Sozialbetrug" vorwarfen. Hierzulande sind die Fahrerinnen und Fahrer über Drittfirmen beschäftigt, wie ein Uber-Sprecher auf Nachfrage erklärt. Bislang kassiere der Konzern bis zu 25 Prozent der Einnahmen für jede einzelne Fahrt, so die SPD-Abgeordnete Gabriele Bischoff. "Anstrengungslos und ohne die unternehmerischen Risiken zu tragen", kritisiert sie.
Das Geschäft mit Onlineplattformen boomt: Derzeit zählen sie mehr als 30 Millionen Beschäftigte, für 2025 rechnet man in Brüssel mit 43 Millionen Beschäftigten. Von den verbesserten Arbeitsbedingungen würden derzeit mehr als fünf Millionen Menschen in der EU profitieren, so die EU‑Kommission. Dass sie weiter bangen müssen, liegt an der Blockade Frankreichs und sieben weiterer Mitgliedsstaaten, obwohl eigentlich schon eine Einigung erzielt war.
EU-Politiker wie Dennis Radtke (CDU) machen dafür die Lobbygruppe um Uber verantwortlich. "Der Druck der Lobby war schon während der Beratungen im Europäischen Parlament gigantisch", sagt Radtke. "Wir reden hier über ein Multimilliarden-Euro-Business, bei dem die Unternehmen mit allen Mitteln ihr Geschäftsmodell verteidigen wollen."
Die Vorwürfe gegen Uber und andere Konzerne gibt es schon länger – und immer wieder steht Frankreich im Fokus. Eine Untersuchung des französischen Parlaments zeichnete im Sommer ein vernichtendes Bild von Uber und seinen engen Beziehungen zur französischen Regierung. Demnach gibt es geheime Gespräche zwischen französischen Regierungschefs und Uber-Managern, um öffentliche Entscheidungen zu beeinflussen. Zuvor hatte ein hochrangiger Uber-Mitarbeiter den Medien unzählige Dokumente zugespielt. Diesen Uber-Files zufolge soll unter anderem Präsident Macron den Geschäftsführer von Uber Frankreich zum Abendessen eingeladen haben, um ihn um Wahlkampfspenden zu bitten.
"Uber und Co. haben erst einmal gewonnen", zeigt sich SPD-Politikerin Bischoff frustriert über die Blockade von Frankreich und anderen Staaten. "Die Uber-Files haben deutlich werden lassen, auf welcher Seite Macron steht und was die Lobby es sich kosten lässt, um bessere Rechtsetzung zu verhindern", sagt sie. "Ob Frankreich sich in dieser grundsätzlichen Frage bewegt, da habe ich meine Zweifel."
Jetzt liegt es am belgischen Regierungschef, der zum 1. Januar die EU‑Ratspräsidentschaft übernommen hat, eine Lösung zu finden und große Staaten umzustimmen – auch Deutschland. Denn Berlin hatte sich bei der Abstimmung enthalten, was wie eine Gegenstimme zählt. Der Grund waren vor allem Bedenken der FDP, die in der Richtlinie einen generellen Angriff auf das Unternehmertum sieht. "Das ist natürlich Unsinn", weist Radtke die Vorbehalte zurück. Er traut den Belgiern zu, eine Lösung unter den Staatschefs zu finden. "Jeder weiß, was auf dem Spiel steht." Zuversichtlich ist auch SPD-Politikerin Bischoff: "Die Belgier sind in Europa Meister des Kompromisses, eine Einigung ist daher durchaus möglich."
Beobachter gehen davon aus, dass die Konzerne die höheren Personalausgaben an die Kundinnen und Kunden weitergeben werden. Die Kosten für Uber-Fahrten dürften daher ebenso steigen wie die Preise bei Lieferdiensten.