Zuvor hatte der wichtigste Verbündete Israels, die USA, scharf kritisiert, dass der Chefankläger des IStGH, Karim Khan, Haftbefehle wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen Netanjahu und Galant beantragt hatte. Haftbefehle wurden auch gegen den Hamas-Anführer Jihia al-Sinwar und weitere Vertreter der Hamas beantragt. Biden unterstrich jedoch, dass es keine Gleichwertigkeit zwischen Israel und der Hamas gebe, die von den USA als Terrororganisation eingestuft wird.
Weder die USA noch Israel erkennen den Internationalen Strafgerichtshof an. Die palästinensischen Gebiete jedoch sind Vertragsstaaten des IStGH, was dem Chefankläger die rechtliche Basis gibt, in dieser Region zu ermitteln. Die gleichzeitige Beantragung von Haftbefehlen gegen Hamas-Führer und israelische Amtsträger führte jedoch zu Kritik aus Deutschland. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes erklärte, dass dies den unzutreffenden Eindruck einer Gleichsetzung erwecke.
Der Internationale Strafgerichtshof hat keine eigenen Mittel zur Vollstreckung der Haftbefehle. Dennoch wird die Bewegungsfreiheit der Betroffenen erheblich eingeschränkt, da alle Vertragsstaaten des Gerichts verpflichtet sind, Beschuldigte mit offenen Haftbefehlen festzunehmen und nach Den Haag zu überstellen, sobald sie sich in ihrem Land aufhalten.
Israels Regierung reagierte scharf auf die Anträge des IStGH gegen Netanjahu und Galant. Außenminister Israel Katz bezeichnete die Entscheidung des Chefanklägers als "historische Schande" und "skandalös". Er betonte, dass während die Hamas Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehe, der Chefankläger israelische Regierungsvertreter im gleichen Atemzug nenne.
Ob die Haftbefehle tatsächlich erlassen werden, müssen nun die Richter des IStGH entscheiden. Sollten die Tatvorwürfe als bestätigt angesehen werden, kann das Hauptverfahren gegen die Beschuldigten eingeleitet werden.
Im Gegensatz zu den USA begrüßte die südafrikanische Regierung das Vorgehen des IStGH-Chefanklägers. Südafrika hatte wiederholt Maßnahmen gegen Israel gefordert und der Regierung Netanjahus Völkermord vorgeworfen. Die UN-Richter verpflichteten Israel in Eilentscheidungen, alles zu tun, um einen Völkermord in Gaza zu verhindern und humanitäre Hilfe zuzulassen.
US-Außenminister Antony Blinken äußerte Bedenken, dass die Anträge des IStGH die laufenden Bemühungen um eine Waffenruhe in Gaza gefährden könnten. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, präzisierte, dass die Hamas durch diese Maßnahmen ermutigt werde, was das Haupthindernis für ein Abkommen darstelle. Die Bemühungen um die Freilassung von Geiseln und eine Waffenruhe hätten in der vergangenen Woche keine Fortschritte gemacht, erklärte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby. Ägypten, Katar und die USA fungieren als Vermittler bei den Verhandlungen, da Israel und die Hamas nicht direkt miteinander sprechen.
Die Situation in der Region bleibt angespannt. Bei einem israelischen Militäreinsatz in Jenin im nördlichen Westjordanland wurden nach palästinensischen Angaben mindestens sechs Menschen getötet. Die israelische Armee bezeichnete den Einsatz als Anti-Terror-Aktion. Zudem tötete die israelische Armee nach eigenen Angaben den Kommandeur der Hisbollah-Raketeneinheit im Libanon mit einem gezielten Luftangriff.
Während Präsident Biden das "unumstößliche Engagement" der USA für die Sicherheit Israels bekräftigte, drängte sein Sicherheitsberater Jake Sullivan auf den Zugang zu humanitärer Hilfe im Gazastreifen. Sullivan betonte die Notwendigkeit, dass Israel und Ägypten ihre Gespräche über die Wiedereröffnung des Grenzübergangs Rafah abschließen. Die humanitäre Lage bleibt prekär, wie der Vorfall zeigt, bei dem ein Hilfskonvoi geplündert wurde.
UN-Schätzungen zufolge haben rund 800.000 Binnenflüchtlinge die Stadt Rafah seit Beginn des israelischen Militäreinsatzes verlassen. Die humanitären Bedingungen sind extrem schwierig, mit Mangel an Brennstoffen und Grundversorgungsmitteln.
Die internationale Gemeinschaft steht vor einer komplexen Herausforderung, die Balance zwischen der Unterstützung für Israel, den Vorwürfen des IStGH und der humanitären Krise in Gaza zu finden. Die politischen und rechtlichen Implikationen der Haftbefehle gegen hochrangige israelische und Hamas-Vertreter könnten die diplomatischen Bemühungen um eine friedliche Lösung weiter erschweren.