Welche Systeme damit gemeint sind, wird von den Ampel-Fraktionen aber unterschiedlich interpretiert. Für viele Politiker von Grünen und FDP sind darunter Taurus-Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 Kilometern zu verstehen. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Gabriela Heinrich, sagte dagegen im Bundestag, mit der Formulierung sei "nicht zwingend" Taurus gemeint. "Es ist eine Interpretationsfrage (...). Fakt ist: Wir haben an dieser Stelle keine rote Linie gezogen."
In dem Antrag, der zwei Jahre nach der russischen Invasion und zehn Jahre nach der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim beschlossen wurde, wird die Forderung nach weiteren weitreichenden Waffensystemen auch begründet: "Insbesondere muss die Ukraine auch künftig in die Lage versetzt werden, Angriffe auf militärische Ziele wie Munitionsdepots, Versorgungsrouten und Kommandoposten weit hinter den Frontlinien durchzuführen und ihre Soldatinnen und Soldaten vor den vielgestaltigen Attacken des russischen Militärs bestmöglich schützen zu können", heißt es darin.
Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hat nach eigenen Angaben zuvor im Bundestag für den Unions-Antrag zur Unterstützung der Ukraine gestimmt. Sie habe dies ausschließlich deswegen getan, "weil das System des Taurus unmissverständlich genannt worden ist", sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses am Donnerstag im Bundestag. "Ich möchte mir nicht eines Tages vorwerfen lassen, im richtigen Augenblick nicht das Richtige getan zu haben", sagte sie.
Die Ukraine brauche die deutsche Unterstützung und sie bekomme sie. "Wir brauchen uns im internationalen Vergleich nicht zu verstecken, im Gegenteil. Umso tragischer ist es, dass wir seit Monaten darüber streiten, ob wir der Bitte der Ukraine nachkommen, den Marschflugkörper Taurus in Ergänzung zu allen anderen gelieferten Waffensystemen zu liefern", sagte die FDP-Politikerin.
Die unendliche Geschichte erinnere an das monatelange Gezerre um die Lieferung von Panzern, das Russland genutzt habe, um über 100 Kilometer Gräben auszufüllen und mit Minen zu füllen. Dies sei einer der Gründe gewesen, warum die Gegenoffensive der Ukraine nicht so erfolgreich wie gehofft gewesen sei. Es gehe hier um Zeit, betonte Strack-Zimmermann. "Und die Ukraine hat keine Zeit mehr."
CSU-Chef Markus Söder hat Kanzler Olaf Scholz (SPD) und die Bundesregierung aufgefordert, der Ukraine endlich Taurus-Marschflugkörper für ihren Abwehrkampf gegen Russland zu liefern. "Die Taurus-Raketen sind zwingend", sagte der bayerische Ministerpräsident am Donnerstag auf seiner Schweden-Reise in Stockholm. Der Bundestag müsse dem zustimmen.
Es wäre eine "Schande", wenn Deutschland nicht in der Lage sei, Waffen zu liefern, die es eigentlich liefern könnte und die tatsächlich den Abwehrkampf der Ukraine gegen Russland beeinflussen könnten, warnte er. Die Zurückhaltung der Bundesregierung sei unverständlich. "Die Ukraine verteidigt tatsächlich unsere Sicherheit und Freiheit", mahnte er.
Der Antrag der Union fand keine Mehrheit. Nur 182 Abgeordnete stimmten dafür, 480 dagegen, es gab 5 Enthaltungen. Die Debatte wurde auch vom ukrainischen Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, verfolgt.
Taurus-Marschflugkörper werden von Flugzeugen aus abgefeuert. Sie können Ziele in bis zu 500 Kilometern Entfernung mit großer Präzision treffen. Die Ukraine will damit den Nachschub der russischen Truppen an der Front kappen.
Die Regierung in Kiew hatte die Taurus-Marschflugkörper im Mai 2023 offiziell von Deutschland erbeten. Der Kanzler erklärte im Oktober, dass Deutschland Taurus vorerst nicht liefern werde. Dahinter steht die Befürchtung, dass die Flugkörper russisches Territorium treffen könnten und Russland dies als direkten Angriff mit deutscher Beteiligung werten würde. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wich Scholz am Samstag der Frage aus, ob er sie vielleicht doch noch freigeben will. Er versicherte in einem Interview lediglich, dass Deutschland immer genug tun werde, um die Ukraine zu unterstützen.