Daraufhin erteilte das Unternehmen einen Auftrag an die renommierte Forschungseinrichtung, die schon zahlreiche andere Firmen auf ihre Nazi-Vergangenheit durchleuchtet hatte. Zu Beginn der Studienvorstellung betonte H&K-Chef Jens Bodo Koch, sein Unternehmen stehe für Transparenz und Offenheit. Die Vorwürfe hätten schwer gewogen, man habe aber schnell reagiert.
Die deutsche Industrie war tief in die Nazi-Verbrechen verstrickt. Zahlreiche Firmen haben ihre durch den Einsatz von Zwangsarbeitern belastete Vergangenheit von Historikern längst aufarbeiten lassen, ob Daimler, BASF oder Bayer. Heckler & Koch ist hierbei ein Sonderfall, da die Firmengründung erst 1949, also in Zeiten der Bundesrepublik, erfolgte. Mit der Frage, was ihre Gründer davor getan hatten, beschäftigte sich die Firma jahrzehntelang nicht. Eine bildlastige Firmenchronik, die zum 50-jährigen Bestehen 1999 erschien, ging darauf nicht kritisch ein.
In der Studie geht es um die drei Gründer Edmund Heckler, Theodor Koch und Alexius Seidel: Alle drei hatten bei den Mauser-Werken gearbeitet, die gewissermaßen ein Vorläufer von Heckler & Koch waren. Heckler war in den 30ern allerdings zum Munitionshersteller Hasag gewechselt, wo ein glühender Nazi auf dem Chefposten saß und immer mehr NSDAP-Parteigenossen und SS-Mitglieder um sich scharte. Zu dieser Nazi-Schar gehörte der Schwabe zunächst nicht: Unter den 38 Prokuristen der Hasag war Heckler der Studie zufolge einer der letzten, der in die NSDAP eintrat - das tat er Ende 1939. Kurz danach wurde er Leiter eines Kartuschenwerks im sächsischen Taucha.
Nach Beginn des deutschen Angriffskriegs am 1. September 1939 war eine etwa 100-köpfige Kommission der Hasag noch im selben Monat nach Polen gereist, um polnische Munitionswerke zu inspizieren und dann zu übernehmen. Eines der Werke wurde zur "Hölle von Kamienna", wie es der Historiker Rainer Karlsch formulierte. Etwa 20 000 Menschen kamen dort bis 1944 ums Leben. Es drängt sich die Frage auf, ob Heckler bei den in Polen begangenen Verbrechen seines damaligen Arbeitgebers, der Hasag, involviert war.
Nein, sagen die Historiker. "An den Verbrechen der Hasag in den polnischen Werken ist er nicht beteiligt", so Karlsch. Heckler sei 1939 nur für zwei Wochen in Polen gewesen - "und dann nie wieder". Verbrechen der Hasag hat es aber auch in Taucha gegeben - also in der Stadt, wo der Ingenieur Heckler tätig war. Bei diesen Verbrechen ging es Zeugenaussagen zufolge um ein Panzerfaustwerk, was erst im Herbst 1944 aus dem Boden gestampft wurde - dort wurden KZ-Häftlinge besonders schlimm behandelt.
In dem direkt daneben gelegenen Kartuschenwerk waren die Zustände vermutlich weniger schlimm. Das schlussfolgern die Wissenschaftler aus der Tatsache, dass Überlebende ihr Leid im Panzerfaustwerk geschildert haben - solche Berichte über die Kartuschenfabrik gibt es nicht. Makaber ist ein Brief, der von einem führenden Hasag-Mitarbeiter kurz nach Kriegsende an den Bürgermeister von Taucha geschrieben wurde. Darin lehnt der Manager es ab, dass seine Firma sich um 50 noch in Taucha befindliche ehemalige KZ-Häftlinge kümmert - diese Menschen befanden sich in einem erbärmlichen Zustand und wurden nicht versorgt. Heckler wiederum überbrachte besagten Brief, der die kalte Absage enthielt. Historiker Karlsch betont, dass Heckler nicht Verfasser des Briefes gewesen sei. "Wie er sich persönlich zu dem Elend verhält, das wissen wir nicht."
H&K-Gründer Theodor Koch war ein Fördermitglied der SS, er unterstützte die nationalsozialistische Organisation finanziell. Er sei aber "kein engagierter Nationalsozialist" gewesen, sagte Studienautorin Stefanie van de Kerkhof. Möglicherweise stand die SS-Fördermitgliedschaft auch in einem Zusammenhang mit einem Streit Kochs mit einem NSDAP-Ortsgruppenleiter, der kurz vor der Fördermitgliedschaft aktenkundig wurde - also gewissermaßen als Beschwichtigung diente. Auch den dritten Gründer, Alexius Seidel, sehen die Wissenschaftler nicht als aktiven Nazi.
Der langjährige Firmenkritiker und Friedensaktivist Jürgen Grässlin bewertete es positiv, dass die Studie neue Erkenntnisse zutage gebracht habe. Er warnte aber davor, die Rolle von Heckler und Koch als kleine Zahnräder in der Vernichtungsmaschinerie der Nazis zu verharmlosen. "Ohne die bestens funktionierenden Zahnräder in der Rüstungsindustrie hätte der Massenmord der Nationalsozialisten mit den Rüstungsgütern nicht ausgeübt werden können." Grässlin untermauerte seine Forderung nach einer Umbenennung der Firma.
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