Sei es beim erbitterten Streit mit dem Videodienst Youtube, der sich über viele Jahre zog, oder wenn mal wieder ein Veranstalter von einer dicken Rechnung der Verwertungsgesellschaft überrascht wird. Genau dies ist nun geschehen.
Betreiber von Weihnachtsmärkten und Volksfesten landauf, landab protestieren dieser Tage gegen ihrer Ansicht nach ungerechtfertigte Gebühren der Verwertungsgesellschaft. Von teilweise drastisch gestiegenen Preisen ist die Rede, von einem "Gebührenhammer für Weihnachtsmärkte" schreibt die "Bild"-Zeitung, von "Gema-Wucher" das Portal "Netzpolitik.org". Lokalzeitungen befürchten, dass Weihnachtsmärkte in der Region künftig für "Leise rieselt der Schnee" oder "O du fröhliche" tief in die Tasche greifen müssen. Und einen "Todesstoß" für Veranstaltungen vermutet bereits der "Mannheimer Morgen".
Knackpunkt des Streits ist ein Tarif der Gema für Stadtfeste – dieser trägt den Namen U‑ST. Grundsätzlich zieht die Verwertungsgesellschaft überall dort Geld ein, wo Musik öffentlich aufgeführt wird: bei Konzerten, im Radio, beim Internetstreaming, beim CD-Verkauf. Mit dem Tarif U‑ST stellt die Gesellschaft sicher, dass Komponistinnen und Komponisten sowie Textdichterinnen und Textdichter vergütet werden, wenn ihre Musik auf einer Veranstaltung im Freien genutzt wird.
Die Gebühren für diesen Tarif hat sich die Gesellschaft nicht allein ausgedacht, sondern mit der Bundesvereinigung der Musikveranstalter (BVMV) ausgehandelt – also dem Dachverband derjenigen, die solche Feste veranstalten. Der jeweilige Preis für eine Veranstaltung berechnet sich nach ihrer Fläche. Soll heißen: Ein kleiner Weihnachtsmarkt auf einem Marktplatz in Ostfriesland zahlt eine deutlich geringere Gema-Gebühr als etwa der Dortmunder Weihnachtsmarkt, der sich durch die gesamte Innenstadt zieht.
Eine Rechenexempel stellt die Gema selbst auf ihrer Website bereit am Beispiel des Dresdner Striezelmarktes. Mit einer Veranstaltungsfläche von 10.000 Quadratmetern und 32 Öffnungstagen zahlte der Markt im vergangenen Jahr 50.688 Euro als Gema-Gebühr. Das klingt zunächst einmal nach einer happigen Summe – allerdings nur, bis man die Einnahmen gegenrechnet. Der "Wochenkurier" schreib einmal von 1,38 Millionen Euro Einnahmen für die Stadt Dresden, die "Sächsische Zeitung" von einem Gesamtumsatz von 48 Millionen Euro (für Gastgewerbe, Einzelhandel, Handwerk, Schausteller und weitere Dienstleister). Angesichts dieser Zahlen klingt die Gema-Gebühr schon wieder überschaubar.
Was ist nun also das Problem? Der Knackpunkt besteht aus Sicht vieler Veranstalter darin, dass die Gema ihre Gebühren exorbitant erhöht haben soll. In Medienberichten ist von Preissteigerungen von zum Teil 8000 Prozent die Rede. So habe etwa der Weihnachtsmarkt in Bayreuth bislang knapp 500 Euro als Gema-Gebühr abgeführt – jetzt seien 40.000 Euro fällig, eben eine Steigerung um 8000 Prozent.
Der Nürnberger Christkindlesmarkt soll bislang 1500 Euro gezahlt haben – nun sei der Betrag auf 29.000 Euro angehoben worden. Eine Steigerung von rund 1000 Prozent. Zuvor hatten sich bereits die Veranstalter des Wurstmarktes in Bad Dürkheim im Gespräch mit Medien beschwert. Sie hatten eine Rechnung der Gema von rund 55.000 Euro bekommen, zuvor hätten sie nur ein paar Hundert Euro gezahlt.
Öffentlich geworden waren die Zahlen durch den Deutschen Städtetag. Dieser hatte die Veranstalter in einem Schreiben vor einer möglichen Kostenexplosion gewarnt und zahlreiche Beispiele herangezogen. Betroffen sind demnach auch Volksfeste in Städten wie Radebeul, Landau und Meißen. Der Deutsche Städtetag ist ebenfalls Mitglied bei der Bundesvereinigung der Musikveranstalter – also der Organisation, die den Gema-Tarif mit ausgehandelt hat.
Fragt man die Gema nach dem Grund der Gebührenerhöhungen, weist diese alle Schuld von sich und verweist auf die Veranstalter der Volksfeste. Diese hätten schlichtweg falsche Zahlen an die Verwertungsgesellschaft übermittelt. "In der Vergangenheit haben wir auf Basis der von den Kundinnen und Kunden gemeldeten Nutzungsflächen lizenziert. Wir haben uns auf korrekte Angaben verlassen und keine Prüfung vorgenommen", heißt es in einem Statement der Verwertungsgesellschaft. Nach der Corona-Pandemie habe man begonnen, diese Angaben genauer zu prüfen. Seither werden die Flächen der Veranstaltungen über Tools wie Planimeter und Google Maps gemessen.
Das Ergebnis: Die Zahlen unterschieden sich erheblich von denen, die die Veranstalter ursprünglich bei der Gema gemeldet hatten. "Wir haben dabei deutliche Diskrepanzen festgestellt", so die Verwertungsgesellschaft. "Daher ist es in Einzelfällen zu Steigerungen der Lizenzkosten gekommen." Möglicherweise hatten die Veranstalter über Jahre eine falsche Berechnungsgrundlage genutzt. Ein Sprecher des Nürnberger Marktamtes sagte etwa der "Bild"-Zeitung: "Bisher wurde die Gebühr entsprechend dem Platz vor der Bühne des Chriskindlesmarktes erhoben. Jetzt soll die gesamte Fläche des Marktes gelten."
Diese Art der Berechnung allerdings ist überhaupt nicht neu. Der Bundesgerichtshof hatte bereits im Jahr 2011 klargestellt, dass bei der Gema-Gebühr für Feste die gesamte Veranstaltungsfläche gelte – nicht nur der Bereich vor der Bühne. Auch am Tarif selbst habe sich nichts geändert, bekräftigt die Gema. Dieser sei zuletzt im Jahr 2018 ausgehandelt und nach der Corona-Pandemie ab 2022 dann umgesetzt worden. Dennoch lenkt die Gesellschaft ein: Man habe "umfassender darüber informieren müssen, dass der bestehende Tarif aus dem Jahr 2018 konsequent angewendet wird". Das sei nicht zeitnah und im gewohnten Maße erfolgt.
Glaubt man dieser Darstellung, dann scheint es zwischen Veranstaltern und der Verwertungsgesellschaft offenbar über Jahre hinweg ein handfestes Kommunikationsproblem gegeben zu haben. Die einen meldeten jahrelang unbemerkt falsche Zahlen – die anderen überprüften diese nicht. Fragt man nach, erhält man auf beiden Seiten vor allem eines: Schulterzucken. Die Stadt Bayreuth etwa hatte offenbar über Jahre hinweg nur 493 Euro als Gema-Gebühr für ihren Weihnachtsmarkt bezahlt. Eine fast schon mickrige Summe, wenn man das Besucheraufkommen und mögliche Umsätze des Marktes mitdenkt. Im Umkehrschluss bedeutet das auch: Urheberinnen und Urheber haben über Jahre hinweg an dem Markt praktisch nichts verdient.
Ein Sprecher der Stadt beteuert: "Seitens der Stadt Bayreuth wurden immer die geforderten korrekten Angaben abgegeben. Der damals zu zahlende Betrag wurde jedoch auf einer anderen Berechnungsgrundlage ermittelt." Warum die Gema den Betrag in all den Jahren nie bemängelt hat, bleibt ebenso unklar.
Die plötzlichen Preissteigerungen jedenfalls haben die Fronten zwischen Veranstaltern und der Gesellschaft verhärtet. Marcus Brill, Leiter des Fachbereichs Kultur und Tourismus der Stadt Bad Dürkheim, zog bereits im September Konsequenzen für den Wurstmarkt der Stadt. Eine seit 40 Jahren umherziehende Musikgruppe, die Mackenbacher, spielten in diesem Jahr nicht mehr, weil die Kosten sonst zu hoch geworden wären. Man habe der Gema erklärt, dass man nur eine Fläche von 4.000 Quadratmetern mit Musik bespiele, keine 40.000 Quadratmeter – darauf habe sich die Verwertungsgesellschaft aber nicht eingelassen.
An dieser Situation habe sich bis heute nichts geändert, bestätigt Brill. Man habe sich geweigert, die Rechnung zu bezahlen, der Fall liege jetzt bei einer Anwaltskanzlei. Außerdem wolle man die angekündigten Gespräche zwischen dem Deutschen Städtetag und der Gema abwarten. Für die kommenden Veranstaltungen der Stadt habe man drastische Konsequenzen gezogen. Das musikalische Programm wolle man künftig deutlich reduzieren – weil es sonst "wirtschaftlich nicht darstellbar" sei. Zuvor hatte Brill gegenüber Medien die Summe von 55.000 Euro als "unverhältnismäßig" bezeichnet. Gema-Gebühren in dieser Höhe entsprächen etwa 10 Prozent der Einnahmen des Marktes. Auch bei der Stadt Bayreuth sei man mit der Gema noch "im Austausch", wie ein Sprecher mitteilt. Zu einer Lösung sei man allerdings bisher nicht gekommen.
Bei der Gema bleibt man angesichts dieser Fälle hartnäckig. "Ich verstehe, dass die Kosten einem enorm vorkommen, wenn man nur diese Kosten betrachtet. Ob das 10 Prozent vom Umsatz ausmacht, kann ich nicht beurteilen, da ich die gesamten Zahlen nicht kenne", sagt Gema-Direktorin Ursula Goebel. "Jedoch: Wenn die Kosten in der Größenordnung liegen, dann muss auch die Veranstaltungsfläche entsprechend hoch sein, denn nur danach bemisst sich der Tarif: Bei der Berechnung der Lizenzhöhe wird die gesamte Veranstaltungsfläche zugrunde gelegt."
Goebel verweist darauf, dass Veranstalter, die sich ungerecht behandelt fühlen, auch eine Angemessenheitsprüfung durch die Gema durchführen lassen könnten. Dann werde die Anzahl der Besucherinnen und Besucher und nicht die Veranstaltungsfläche für die Berechnung der Lizenzkosten zugrunde gelegt. Auch gebe es Nachlässe, etwa wenn der Veranstalter Mitglied beim Deutschen Städtetag oder der Dehoga sei.
Dass Weihnachtsmärkte angesichts der Gebühren nun dem Tod geweiht seien, glaubt Goebel derweil nicht. "Von den rund 3350 Rechnungen, die die Gema für Weihnachtsmärkte versendet hat, die 2022 nach dem Tarif für Stadtfeste lizenziert wurden, haben rund 35 Kunden aufgrund signifikant gestiegener Lizenzkosten reklamiert. Bei mehr als 75 Prozent kam es zu keinen Steigerungen in den Lizenzkosten", sagt Goebel.