Epidemiologe Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie rät Personen mit Erkältungssymptomen, sich wieder auf Corona zu testen, um eine Infektion zu erkennen und niemanden anzustecken. "Die Tests funktionieren weiterhin zuverlässig, auch bei der neuen Variante", sagt er im Gespräch mit dem RND. "Wir müssen davon ausgehen, dass sich viele Menschen gerade mit Corona infiziert haben und glauben, nur an einer Erkältung erkrankt zu sein."
Laut RKI liegt die Sieben-Tage-Inzidenz derzeit bei vier. Die Dunkelziffer sei sehr hoch, sagt Zeeb, die genauen Zahlen unbekannt. "Die Zahl der positiv gemeldeten Tests zeigt nur einen Trend an und wir können die Dynamik nur abschätzen." Auch das Abwassermonitoring schlägt keinen Alarm. Für Zeeb ist das ein Zeichen dafür, dass es keine riesige Welle wie zu früheren Zeiten der Pandemie gibt.
Zeeb hält trotz steigender Corona-Zahlen eine Maskenpflicht zu diesem Zeitpunkt nicht für notwendig. "Wir erleben eine neue Welle in der Endemie", beschreibt er die Situation. Aufgrund der unverändert milden Schwere der Erkrankungen sei die individuelle Entscheidung, eine Maske zu tragen oder nicht, weiterhin sinnvoll. Das RKI bestätigte in seinem jüngsten Bericht, dass bei der neuen Variante nichts auf eine Veränderung der Krankheitsschwere hindeute.
Die Hausärzte nehmen derzeit bei ihren Patientinnen und Patienten ein "eher geringes Interesse an der Corona-Schutzimpfung" wahr, sagt Buhlinger-Göpferth. "Die Hausarztpraxen werden ihre Risikopatientinnen und ‑patienten insbesondere Richtung Herbst wieder intensiver auf die Impfung ansprechen, etwa gemeinsam mit der Empfehlung zur Grippeschutzimpfung." Sie hofft, dass die Impfstoffhersteller in Kürze auch Einzeldosen anbieten, was den Ärzten die Terminorganisation erleichtern und den Verfall von übrig gebliebenen Impfdosen reduzieren würde.
Die Ständige Impfkommission empfiehlt eine regelmäßige Auffrischungsimpfung unter anderem allen Personen ab 60 Jahren und Personen ab sechs Monaten mit relevanten Grunderkrankungen, sowie Bewohnerinnen und Bewohnern von Pflegeeinrichtungen und medizinischem und pflegerischem Personal.
Das RKI registrierte zuletzt auch einen leichten Anstieg der Hospitalisierungsrate. Die Lage in den Kliniken sieht Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft, aber als unter Kontrolle an. "Sowohl Dynamik als auch absolute Werte geben keinerlei Hinweis auf eine Verschärfung der Situation mit Blick auf die Krankenhausversorgung", sagt er. Noch vor wenigen Wochen habe die Hospitalisierungsrate um ein Vielfaches höher gelegen. "Die Zeit der coronabedingten Höchst- und Überbelastung ist seit dem Aufkommen der Omikron-Variante im Zusammenspiel mit hoher Grundimmunität durch Impfung und Infektion vorbei."
Trotz zunehmender Corona-Fälle gibt Gaß für die nächsten Wochen und Monaten Entwarnung: "Nach derzeitiger Lage erwarten wir keine erneut große Belastung durch Corona-Infektionen im Herbst und Winter." Problematisch könnten eher die Grippewelle und andere Viruserkrankungen werden, sagt er.
ag/pclmedia