Selenskyj war zur Amtseinführung des neugewählten argentinischen Staatschefs Javier Milei nach Buenos Aires gereist. Es war das erste Mal seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf sein Land, dass der Regierungschef nach Südamerika reiste. Im Gegensatz zur linken Vorgängerregierung in Buenos Aires gilt Milei als entschlossener Unterstützer der Ukraine. Am Rande dieses Arbeitsbesuchs kam Selenskyj mit seinem paraguayischen Kollegen Santiago Peña, dem Präsidenten Ecuadors, Daniel Noboa, und Urugays Staatschef Lacalle Pou zusammen.
Bei allen Unterredungen sei in erster Linie die sogenannte Friedensformel Kiews für ein Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine erörtert worden. Dieser Plan sieht unter anderem den sofortigen Abzug aller russischer Truppen aus allen besetzten Gebieten, einschließlich der Krim, vor. Auch eine juristische Verantwortung der russischen Politiker und Militärs für den Angriffskrieg gehört zu dem ukrainischen Friedensplan.
Selenskyj wird nach seiner Südamerika-Reise seinen US-Amtskollegen Joe Biden an diesem Dienstag im Weißen Haus besuchen. Selenskyj habe eine Einladung Bidens angenommen, teilte das Büro des ukrainischen Präsidenten am Sonntag mit. Außerdem werde Selenskyj vor dem Senat sprechen.
Biden wolle mit der Einladung das unerschütterliche Engagement der USA für die Unterstützung des ukrainischen Volkes bei der Verteidigung gegen die brutale russische Invasion zu unterstreichen, teilte das Weiße Haus am Sonntag mit. Biden und Selenskyj wollten den dringenden Bedarf der Ukraine auf dem Schlachtfeld erörtern und auch über eine Fortsetzung der US-Hilfen in dieser entscheidenden Phase sprechen.
Nach Angaben der Regierung in Washington werden die bisher vom Parlament bewilligten Mittel für die Ukraine zum Jahresende komplett aufgebraucht sein. Die Freigabe neuer US-Hilfen wird derzeit allerdings von einem innenpolitischen Streit zwischen Demokraten und Republikanern im US-Parlament blockiert. Mehr und mehr Republikaner melden Zweifel an der Unterstützung für die Ukraine an oder lehnen diese völlig ab.
Ein jüngst verabschiedeter Übergangshaushalt enthält erneut keine neue Mittel für die Ukraine, obwohl US-Präsident Joe Biden bereits im Oktober große Milliardensummen für Kiew beim Kongress beantragt hatte. Mit zunehmender Vehemenz und teils dramatischen Appellen fordern Biden und sein Team den Kongress seit Wochen zum Handeln auf. Bewegung ist dort bislang aber nicht in Sicht.
Hunderte von Menschen haben unterdessen am Sonntag in mehreren Städten der Ukraine auf das Schicksal von Kriegsgefangenen in russischen Händen aufmerksam gemacht. Neben Familienangehörigen beteiligten sich auch ehemalige Kriegsgefangene, aktive Soldaten und Mitarbeiter internationaler Organisationen an der Aktion, die unter dem Motto "Schweige nicht! Gefangenschaft tötet" stand, wie ukrainische Medien berichteten.
Natalja Sarizkaja, Leiterin der Organisation "Frauen aus Stahl", die das Treffen auf dem Maidan in Kiew mitorganisiert hatte, beklagte ein mangelndes Interesse am Schicksal der Kriegsgefangenen. Verwandte und Freunde der Gefangenen "tun alles in ihrer Macht Stehende, um die Aufmerksamkeit der Behörden und der Gesellschaft auf die Frage der Rückkehr der Verteidiger zu lenken", doch habe dies nicht den gewünschten Effekt. Einige Teilnehmer der Kundgebung in der Hauptstadt beklagten, sie hätten schon seit Kriegsbeginn keinen Kontakt zu ihren Angehörigen in russischer Kriegsgefangenschaft.
"Gebt meinen Vater zurück" oder "Gebt meinen Bruder zurück" lauteten etwa die Formulierungen auf Plakaten in Lwiw. "Bringt sie zurück" forderte eine Demonstrantin in Dnipro auf ihrem Plakat.
Die Ukraine und Russland haben seit Kriegsbeginn im Februar 2021 mehrfach Gefangene ausgetauscht, doch sind diese Aktionen in den vergangenen Monaten deutlich zurückgegangen. Genaue Zahlen über die Kriegsgefangenen auf beiden Seiten sind nicht bekannt.