Nach seiner offenbar von langer Hand geplanten Flucht fehlte von dem Mann bis Donnerstagnachmittag jede Spur. Seit Mittwochabend wird der Flüchtige mit einem Großeinsatz der Polizei gesucht. Laut Justizminister Alex Chalk handle sich um einen schwerwiegenden Vorfall. Es werde "jeder Stein umgedreht, um herauszufinden, was passiert ist". Am Donnerstag wurden mehrere Autobahnkreuze gesperrt. Am Fährhafen Dover kam es wegen intensiver Polizeikontrollen zu Wartezeiten. An mehreren Flughäfen des Landes mussten Reisende Verzögerungen hinnehmen.
Dem Flüchtigen wird vorgeworfen, Bombenattrappen auf einer Militärbasis platziert zu haben. Er streitet die Vorwürfe ab. Hinweise, dass von dem Ausgebrochenen eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgehe, gebe es aber bislang nicht, sagte Chalk. Nachdem die britische Regierung dieser Tage schon wegen unvermittelter Schulschließungen aufgrund eines Sanierungsstaus massiv in die Kritik geraten war, erhöht die Flucht des Terrorverdächtigen nun den Druck auf Premierminister Rishi Sunak.
Labour-Chef Keir Starmer betonte am Donnerstag, dass genau geprüft werden müsse, wie ein Gefangener auf diese Weise entkommen könne. Er gehe von systematischen Versäumnissen aus, die "nicht nur auf Wandsworth beschränkt" sind. Sunak betonte am Donnerstag, dass solche Vorfälle "extrem selten" seien. Die britische Regierung kündigte eine unabhängige Untersuchung in dem Fall an. Die Flucht des Mannes wirft ein Schlaglicht auf die Zustände in britischen Haftanstalten. Schließlich ist der Mann nicht aus irgendeinem Gefängnis geflüchtet. Es handelte sich dabei um Wandsworth, die zweitgrößten Haftanstalt des Landes, die schon seit Jahren für seine schlechten Bedingungen bekannt ist und in der Boris Becker im Frühjahr 2022 die ersten Wochen seiner Haftstrafe absaß.
Mark Fairhurst, Vorsitzender der Prison Officers‘ Association, äußerte nach der Flucht des 21-Jährigen erhebliche Bedenken hinsichtlich des Zustands der Gefängnisse. "Diese Vorfälle sind zum Glück sehr selten, aber ihre Bedeutung verdeutlicht die Krise in unserem Gefängnisdienst", sagte er. Als er Wandsworth das letzte Mal besuchte, seien dort 69 Gefängnisbeamte für 1600 Gefangene zuständig gewesen. "Das Gefängnissystem bröckelt vor sich hin und die Regierung muss dringend handeln", sagte er.
Der britische Filmemacher Chris Atkins, der ein Buch über seine Haftstrafe in Wandsworth veröffentlicht hat, beschrieb die Zustände schon im vergangenen Jahr als unerträglich. "Über die Jahre wurde das Budget für Gefängnisse in Großbritannien immer weiter gekürzt. Deshalb fehlt es dort einfach an allen Ecken und Enden."
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