
"Solche verfassungswidrigen Zustände erleben wir heutzutage nur noch in einem diktatorischen Land wie Nordkorea", wurde Massih Mohadscheri, Chefredakteur der Tageszeitung "Dschmohuri Eslami", von der Zeitung "Shargh" zitiert. Das Nachrichtenportal Entekhab kommentierte die Ausschlüsse mit dem Titel "Geschlossene Gesellschaft bevorzugt".
Kritik kam auch aus dem Parlament selbst. "Eine Revolution kann man nicht mit Bomben und Raketen am Leben halten, sondern mit qualifizierten Arbeitskräften", sagte der moderate Abgeordnete Massud Peseschkian und meinte damit, dass man ein Land nicht mit Bomben und Raketen unter Kontrolle halten könne, sondern auch qualifizierte Politiker brauche. Der 69-jährige ehemalige Gesundheitsminister wurde vom Wahlgremium ebenfalls abgelehnt und darf für die nächste Legislaturperiode nicht mehr antreten.
Irans ehemaliger Präsident Hassan Ruhani hingegen hat am Samstag seine Rückkehr in die Politik eingeleitet. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA registrierte sich der 74-jährige Kleriker für die Wahl des sogenannten Expertenrats, die im März nächsten Jahres stattfindet. "Das wird ein schwieriger und holpriger Weg", sagte Ruhani nach seiner Registrierung. Aber "trotz der innenpolitischen Einschränkungen" habe er sich letztendlich "gegen das Schweigen" entschieden.
Der Reformer Ruhani, der von 2013 bis 2021 das Amt des Präsidenten innehatte, gehört zu den Kritikern seines Nachfolgers Ebrahim Raisi. Neben innenpolitischen Debatten hat Ruhani diese Woche auch die Politik der Raisi-Regierung im Gaza-Konflikt kommentiert und diese kritisiert. "Es ist möglich, dass ein Fehler, eine falsche Entscheidung oder eine ungenaue Handlung die Flamme des Kriegs in unsere Richtung zieht", warnte der Ex-Präsident. Seine Rückkehr könnte laut Beobachtern auch zu einer Wiederbelebung der gesamten Reformbewegung führen.
Der Expertenrat ist eines der wichtigsten Gremien im Iran, da die 88 geistlichen Mitglieder sowohl über die Wahl als auch über die Abwahl des obersten Führers bestimmen können. Nach dem Tod von Ruhollah Chomeini im Juni 1989 wurde Ajatollah Ali Chamenei vom Expertenrat zum Führer ernannt. Laut Verfassung hat er als Religionsführer das letzte Wort in allen strategischen Belangen.
Die Parlamentswahl findet am 1. März 2024 statt. Im Rahmen eines Online-Verfahrens im Oktober registrierten sich 48 000 Bewerber für den Urnengang um die 290 Parlamentssitze. Schon bei der vergangenen Parlamentswahl im Jahr 2020 wurde ohne plausible Erklärung eine große Zahl reformorientierter und moderater Kandidaten abgelehnt. Dies führte letztendlich zu einem eindeutigen Sieg der regimetreuen Hardliner - und laut Kritikern zu einer "Stummschaltung der Opposition".
Da es im Iran kein klassisches Parteiensystem gibt, konkurrieren hauptsächlich diverse Fraktionen miteinander. Die vier wichtigsten sind die Hardliner, die Erzkonservativen, die Neokonservativen und die Reformer.