In ihrer quantitativen Fallstudie hält Lauren A. Siegel von der University of Greenwich fest, dass so ein Verhalten "eine Debatte darüber ausgelöst hat, ob Reisende überhaupt ein Interesse an der lokalen Kultur haben oder ob sie nur deshalb reisen, um Fotos zu machen, die sie in ihren Feeds posten und so damit werben können, dass sie dort waren". Viele Touristinnen und Touristen würden lediglich "Likes" jagen und sich nicht wirklich mit den Orten, die sie besuchen, auseinandersetzen.
Solche fotografischen Darstellungen seien laut Lauren A. Siegel und ihren Mitforschenden "sozial gefährlich, weil sie ein effektiver Mechanismus sind, um einen Ort auf ein Erlebnis in den sozialen Medien und eine standardisierte Ware" zu reduzieren. Sie spricht auch vom Begriff "Instagrammability" – dieser beschreibt Orte, deren dort gebotenen Kulissen oder Erlebnisse lediglich als Vorwand für Instagram-Posts dienen.
Neben dieser emotionalen Distanz zum Urlaubsort vermutet die Forscherin zudem, dass es dank der sozialen Medien einfacher geworden ist, auf Individualreisen Geheimtipps und eher verborgene Ecken zu erschließen, ohne viel Geld für lokale Führerinnen und Führer auszugeben oder sich vor Ort Freunde erarbeitet zu haben, die einem zum Beispiel den Secret Spot am Surfstrand zeigen. Diese Demokratisierung des Reisens hätte die Schattenseite, dass wir nun sehen, wie unsere Social-Media-Kontakte aus dem heimischen Umfeld an entlegene Ort reisen. Bewusst oder unbewusst gehen wir dann davon aus, dass das Verhalten, das unsere Bekannten normalerweise zu Hause an den Tag legen, auch an diesem Urlaubsort akzeptabel ist.
Salopp gesagt: Wenn wir verfolgen, wie unsere Freundinnen auf dem Bachelorette-Trip in Sizilien die Sau rauslassen, denken wir bei unserem nächsten Italien-Trip, dass es die Einheimischen nicht stört, wenn wir uns auf der Piazza übergeben. Durch das Wiederholen von Verhalten können wir sozialen Status innerhalb unserer Bezugsgruppe erhalten. Das erklärt auch, warum viele von uns nicht müde werden, die immer wieder selben Instagram-Motive, die wir in der App gesehen haben, nachzustellen und auf derselben Plattform zu posten.
Um diesem Trend entgegenzuwirken, hat sich Lauren A. Siegel eine Kampagne von Wien Tourismus angesehen, die eine Pressereise für Social-Media-Influencerinnen und -Influencer veranstaltete, welche darauf angelegt war, die österreichische Hauptstadt komplett ohne Smartphones zu erleben. In ihrer Studie hält sie zudem fest: "Ein Leitfaden für verantwortungsbewusstes Verhalten von Reisenden oder ethische Instagram-Praktiken für Reisende wurde noch nicht entwickelt, aber es gibt Potenzial für zukünftige Entwicklungen." Die Wissenschaftlerin deshalb einen simplen Leitfaden erdacht, mit dem Reisende sicherstellen können, dass sie wieder eingeladen werden.
1. Mach dich schlau
Lauren A. Siegel rät selbst erfahrenen Reisenden, die Auswirkungen ihres Handelns auf die örtlichen Gemeinschaften zu hinterfragen. Sie empfiehlt, sich zum Beispiel bei den einheimischen Behörden über aktuelle Richtlinien oder Hintergrundinformationen zu den kulturellen und sicherheitsrelevanten Normen vor Ort zu informieren. Wichtig dabei: "Ob du mit den Bräuchen einverstanden bist oder nicht, spielt keine Rolle. Wenn es sich um einen konservativeren Ort handelt, als du es gewohnt bist, solltest du dir dessen bewusst sein – im Gegensatz zu den beiden Influencern, die wegen unzüchtigen Verhaltens in einem Tempel auf Bali verhaftet wurden."
2. Auf das Handy verzichten
In ihrem Artikel erwähnt die Tourismus-Forscherin, dass Untersuchungen gezeigt hätten, wie wenig wir von einem Urlaubsort mitnehmen, wenn wir uns mehr auf unser Smartphone als auf das Reiseziel konzentrieren. "Die unvergesslichsten Reiseerlebnisse sind oft die, bei denen man eine bedeutungsvolle Verbindung mit jemandem eingeht oder etwas Neues erfährt, das man noch nie zuvor erlebt hat. Das wird schwieriger, wenn man ständig auf sein Handy schaut", schreibt sie.
3. Seine Privilegien für etwas Gutes nutzen
Wer kennt sie nicht: In "Instagram vs. Realität"-Posts enthüllen Influencerinnen und Influencer die riesigen Menschenmassen und Warteschlangen hinter den beliebtesten Orten auf Instagram. Das kann laut Lauren A. Siegel dazu führen, dass die eigenen Social-Media-Kontakte ihre persönlichen Reisemotivationen hinterfragen. Und noch ein Tipp vom reisereporter: Da wir Privatreisende mit unseren Postings ohnehin kostenlose Werbung machen, könnten wir zudem darauf achten, unsere (wenn auch geringe) Reichweite dafür zu nutzen, auf das Angebot von lokalen Communitys hinzuweisen, anstatt großen Ressortketten und Systemgastronomien in die Karten zu spielen.
dp/fa