Als die damalige Vizepräsidentin des Europaparlaments, Eva Kaili, festgenommen wurde, war die Aufregung groß. Die Griechin stand im Zentrum eines handfesten Korruptionsskandals. Die Vorwürfe: Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Geldwäsche und Korruption. Kaili soll Geld aus dem Golfstaat Katar kassiert haben, damit sie für das WM-Gastgeberland Einfluss auf politische Entscheidungen nimmt. Die Sozialdemokratin aus Griechenland wurde zusammen mit fünf anderen Verdächtigen festgenommen.
Im Raum standen neben Vorwürfen der Bestechung und Bestechlichkeit auch der Verdacht der Geldwäsche. Kaili wurde von Parlamentspräsidentin Roberta Metsola nach Bekanntwerden von all ihren Aufgaben entbunden. "Es wird keine Straffreiheit geben. Es wird nichts unter den Teppich gekehrt. Es wird kein "business as usual" geben", betonte Metsola damals . Die Vorwürfe seien ein Schlag gegen alles, woran man seit vielen Jahren gearbeitet habe. "Es braucht Jahre, um Vertrauen aufzubauen, und nur einen Moment, um es zu zerstören", sagte Metsola.
Der mutmaßliche Drahtzieher Antonio Panzeri war lange Jahre Abgeordneter im EU-Parlament, bevor er eine Nichtregierungsorganisation gründete. In seiner Wohnung fanden die Ermittler damals 600.000 Euro Bargeld. Auch bei Kaili wurden Medienberichten zufolge Taschen voller Bargeld entdeckt.
Ebenfalls in den Skandal verwickelt sind die noch amtierenden EU-Abgeordneten Marc Tarabella und Andrea Cozzolino sowie Francesco Giorgi, der Lebensgefährte Kailis. Panzeri will Tarabella nach eigenen Angaben für seine Unterstützung im Zusammenhang mit Aufträgen aus Katar in mehreren Raten mehr als 120.000 Euro in bar gegeben haben. Cozzolino soll von seinem Assistenten Giorgi Instruktionen für politische Positionierungen zum Vorteil von Katar und Marokko entgegengenommen haben.
Der WM-Gastgeber Katar stand seit Jahren wegen der Menschenrechtslage und der Bedingungen für ausländische Arbeiter in der Kritik. Zahlreiche Mitglieder des damaligen FIFA-Exekutivkomitees, das 2010 die WM nach Katar vergeben hatte, wurden der Korruption überführt. Katar selbst hat den Vorwurf der Bestechung jedoch stets bestritten.
Alle Beschuldigten blieben mehrere Monate in Haft beziehungsweise im Hausarrest. Kaili prangerte immer wieder die Haftbedingungen in Belgien an und kritisierte, dass sie anfangs ihre kleine Tochter nicht sehen durfte. Panzeri dient den Ermittlern nun als Kronzeuge. Sein Deal mit der Staatsanwaltschaft sieht unter anderem vor, dass er im Gegenzug für seine Kooperation eine kürzere Haftstrafe erhält.
Inwieweit die Anschuldigungen bewiesen werden können, ist bislang unklar. Zuletzt hatte die Staatsanwaltschaft bestätigt, dass bei den Ermittlungen derzeit auch mögliche Formfehler untersucht werden müssen. Bis Mitte Mai kommenden Jahres soll demnach geprüft werden, ob bei den Ermittlungen gegen Kaili ihre Immunität verletzt wurde.
Das EU-Parlament reagierte auf den Skandal mit schärferen Transparenzregeln. Dazu zählen etwa Vermögenserklärungen am Anfang und am Ende eines Mandats sowie strengere Regeln für die Annahme von Geschenken. Außerdem müssen deutlich mehr Treffen mit Lobbyisten veröffentlicht werden. Nach Ansicht von Transparency International geht das nicht weit genug. Das Hauptproblem sei demnach nicht angegangen worden: "Die Kultur der Straflosigkeit und der Mangel an Integrität", sagte Hinds.
Bei einer Anhörung stellte sich heraus, dass der belgische Staatssicherheitsdienst VSSE mit Hilfe anderer EU-Staaten seit mehr als einem Jahr an einer Untersuchung der Korruptionsvorwürfe arbeiteten.