In einer entschlossenen politischen Offensive hat US-Vizepräsidentin Kamala Harris am Dienstag ihre erste Wahlkampfkundgebung nach dem Rückzug von Präsident Joe Biden aus dem Rennen um das Weiße Haus abgehalten. In ihrer 17-minütigen Rede attackierte Harris ex-Vizepräsidenten und republikanischen Herausforderer Donald Trump scharf, während ihre Entscheidung, die Rede des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu vor einer gemeinsamen Sitzung des US-Kongresses zu meiden, auf breite Diskussionen stieß.
Harris nutzte die Gelegenheit, um Trump für seine politischen Entscheidungen und seine Führung während seiner Amtszeit zu kritisieren. Die Vizepräsidentin sprach von "Fehltritten und unverantwortlicher Führung", die das Land in den letzten Jahren destabilisiert hätten. Sie zog Vergleiche zwischen ihrem eigenen Hintergrund als ehemalige Generalstaatsanwältin und Trumps umstrittener Vergangenheit, die von rechtlichen Problemen und Verurteilungen geprägt ist. Harris’ Rede war eine klare Botschaft an die Wähler, dass ihre Kandidatur einen markanten Bruch mit der Trump-Ära darstellen würde.
In der Rede betonte Harris ihre Vision für eine gerechtere und transparentere Politik und versicherte den Zuhörern, dass ihre Präsidentschaft für "Korrektur und Fortschritt" stehen werde. Ihre scharfen Worte gegen Trump waren darauf abzielen, ihre Position als klare Alternative zu seinem politischen Erbe zu festigen und ihre Führungsqualitäten hervorzuheben.
Parallel zu ihrer Rede gegen Trump sorgt Harris’ Abwesenheit bei der Rede von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Mittwoch für Aufsehen. Netanjahu, der als erster ausländischer Staatschef viermal vor einer gemeinsamen Sitzung des US-Kongresses spricht, wird von Senator Benjamin Cardin ersetzt, während Harris bei einem anderen Event in Indianapolis anwesend sein wird.
Harris wird an einem nationalen Kongress der Zeta Phi Beta Studentenverbindung in Indianapolis teilnehmen. Diese Organisation ist eine der ältesten Universitätsverbindungen für afroamerikanische Studentinnen und gilt als wichtige Plattform für Harris, um junge Wähler zu erreichen und ihre Unterstützung in der afroamerikanischen Community zu festigen.
Das Fehlen von Harris bei Netanjahus Rede wird von vielen als kalkulierte Entscheidung betrachtet, um ihre Unterstützung unter jüngeren, progressiven Wählern zu stärken, die in der Frage des Gaza-Konflikts oft kritisch gegenüber der israelischen Regierung eingestellt sind. Die Entscheidung, Netanjahu zu meiden, wurde von ihrem Team als Teil einer strategischen Planung dargestellt, die darauf abzielt, ihre Botschaft in Schlüssel-Swing States wie Michigan und Pennsylvania zu verstärken, wo große arabische und afroamerikanische Gemeinschaften leben.
Harris’ Entscheidung, Netanjahus Rede zu boykottieren, hat zu intensiven Diskussionen geführt. Kritiker werfen ihr vor, ein wichtiges diplomatisches Ereignis zu vernachlässigen, was als Zeichen mangelnder Unterstützung für enge Verbündete der USA interpretiert werden könnte. Besonders in einem Wahlkampf, in dem außenpolitische Kompetenz stark gewichtet wird, stellt sich die Frage, ob dieses Manöver nicht als Zeichen von Schwäche oder Unsicherheit gedeutet werden könnte.
Befürworter von Harris argumentieren jedoch, dass ihre Entscheidung eine strategische Notwendigkeit sei, um sich von der pro-israelischen Haltung der Demokratischen Partei abzugrenzen und eine klarere Position gegenüber der israelischen Politik zu zeigen. Diese Entscheidung könnte helfen, die Unterstützung unter progressiven Wählern und in den ethnisch vielfältigen Gemeinden zu sichern, die zunehmend kritisch gegenüber der US-Außenpolitik im Nahen Osten sind.
Harris, die als Vizepräsidentin eine zentrale Rolle in der Außenpolitik unter Biden spielte, muss nun ihre eigenen außenpolitischen Prioritäten klarer formulieren. Ihre Bilanz in dieser Hinsicht ist gemischt: Während sie Biden in der Unterstützung der Ukraine und dem harten Kurs gegenüber China unterstützte, ist ihre Stellungnahme zur Situation in Gaza und ihre Haltung zu Lateinamerika weniger eindeutig.
Die Vizepräsidentin hat sich wiederholt für eine humanitäre Unterstützung für die Ukraine ausgesprochen und enge Beziehungen zu ukrainischen Führungskräften gepflegt. In Bezug auf China hat Harris die Menschenrechtsverletzungen in Hongkong und Xinjiang angeprangert und die Sicherheitsbedrohungen durch Peking adressiert.
Während Harris sich auf die bevorstehenden Vorwahlen und die Präsidentschaftswahlen vorbereitet, wird ihre Fähigkeit, eine klare und überzeugende außenpolitische Vision zu präsentieren, entscheidend sein. Die Wahlkampftaktiken, die sie aktuell verfolgt, könnten ihr helfen, ein breiteres Wählersegment zu erreichen, aber sie werden auch auf die Probe gestellt, wenn sie sich den Herausforderungen eines möglichen Präsidentschaftswahlkampfs stellen muss.
Harris’ strategische Entscheidungen, sowohl bei ihrer Wahlkampf-Rhetorik als auch bei der Auswahl ihrer politischen Auftritte, werden entscheidend dafür sein, wie sie sich als ernsthafte Präsidentschaftskandidatin positionieren kann. Der bevorstehende Wahlkampf wird zeigen, ob diese Taktiken erfolgreich sind oder ob sie möglicherweise in den kommenden Monaten mit weiteren Herausforderungen konfrontiert wird.