Aus Sicht der Wirtschaft jedoch ist die Lage weiter angespannt: Zehntausende Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt, weil es weniger Schulabgängerinnen und -abgänger gibt als etwa noch vor zehn Jahren. Nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit vom Juli sind aktuell noch 228 000 Ausbildungsstellen unbesetzt. 2022 hatte es ein leichtes Vorjahresplus von 0,8 Prozent auf rund 470 000 neue Ausbildungsverträge gegeben. Dies waren aber acht Prozent weniger als im letzten Corona-Vorkrisenjahr 2019.
Unter Jugendlichen mit niedriger Schulbildung ist nach der Bertelsmann-Umfrage nach wie vor der Eindruck weit verbreitet, schlechte oder eher schlechte Chancen auf einen Ausbildungsplatz zu haben: In dieser Gruppe blicken immerhin 26 Prozent der Befragten pessimistisch auf das Ausbildungsgeschehen.
Auch dass trotz hoher Nachfrage nach Fachkräften noch immer mehr als ein Viertel der Befragten der Auffassung sei, es fehle an Ausbildungsplätzen "ist ein Warnsignal", so Clemens Wieland, Experte der Bertelsmann-Stiftung für berufliche Bildung: "Es muss uns noch viel besser als bisher gelingen, junge Menschen und Betriebe zusammenzubringen", betonte er. Laut aktuellem Berufsbildungsbericht übersteigt die Zahl der unbesetzten Stellen die der Bewerber ohne Ausbildungsplatz.
Tatsächlich sehen viele Jugendliche laut Umfrage Probleme bei der beruflichen Orientierung: Mehr als die Hälfte (55 Prozent) gab an, sich angesichts der Fülle von Informationen nur schwer zurechtzufinden. Gleichzeitig gab ein knappes Drittel (30 Prozent) der Jugendlichen nach der Ausbildungsplatzsuche an, dass mehr Unterstützung schön gewesen wäre. 45 Prozent der Azubis hätten sich mehr Berufsorientierung innerhalb der Schule gewünscht, 39 Prozent nannten einen persönlichen Ansprechpartner außerhalb der Schule wünschenswert.
Auch von der Politik erhoffen sich die jungen Menschen mehr Engagement für Ausbildungsplatzsuchende: 37 Prozent aller Befragten sind der Auffassung, der Staat kümmere sich eher wenig, 8 Prozent finden sogar, es werde gar nichts gemacht. 31 Prozent räumen zwar ein, dass viel für Ausbildungsplatzsuchende getan werde, halten es aber nicht für ausreichend. Sie wünschen sich mehr Unterstützung etwa bei den Fahrt- oder Umzugskosten sowie bei der Bereitstellung von günstigem Wohnraum.
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