Es ist eine neue Idee einer CDU, die nach der Bundestagswahl 2021 inhaltlich ziemlich blank dastand. Also einfach weitermachen. Augen zu und durch. Das scheint jetzt die Devise im Konrad-Adenauer-Haus sein. Denn eigentlich war ja gar nichts, oder? So versucht es das Umfeld von Merz nun zumindest zu vermitteln. Die Kritik an Merz? Nur Kampagne der politischen Gegner. Merz habe ja gar nichts Falsches gesagt, heißt es. Linnemann betont am Freitag: "Friedrich Merz spricht schwierige Sachverhalte an, und wir sind daran interessiert, sie anzusprechen, aber auch zu lösen." In der CDU gebe es Unterstützung für die Äußerungen von Merz, so Linnemann. Etwas anderes, als dem Parteichef den Rücken zu stärken, bleibt dem Generalsekretär am Freitag aber auch nicht übrig.
Denn die Reaktionen auf die Aussage von Merz zu abgelehnten Asylbewerbern sind verheerend. Er sagte in einer Talkshow des TV-Senders Welt: "Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine." Die Bundeszahnärztekammer weist das zurück. SPD und Grüne nennen es Populismus. Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow wirft Merz vor, das Geschäft der AfD zu betreiben. Das "Spiegel"-Magazin legt ihm in einem Kommentar gar den Rücktritt nahe. In der "Bild"-Zeitung kritisiert Kolumnist Franz Josef Wagner den "Schwachsinnssatz".
CDU-Chef Friedrich Merz hat in einem Interview behauptet, abgelehnte Asylbewerber ließen sich auf Kosten der Allgemeinheit ärztlich behandeln und die "Zähne neu machen". Doch stimmt das? Welche Ansprüche Migranten wirklich haben, klärt dieser Faktencheck. Merz‘ Leute betonen, das gehe ja vorbei. Schon öfter sei das Echo sehr negativ gewesen, das habe sich dann beruhigt. Sein Umfeld ist erleichtert darüber, dass sich kein CDUler öffentlich kritisch zu Wort gemeldet habe. Die Partei habe verstanden, dass man sich nicht streiten dürfe.
Und tatsächlich haben viele Merz verteidigt. CDU-Gesundheitspolitiker wie Tino Sorge oder Sepp Müller sind ihrem Parteichef zur Seite gesprungen. "Die Kapazitäten sind überlastet und natürlich führt das zu Terminproblemen", betonte Müller. Auch NRW-Regierungschef Hendrik Wüst, der als parteiinterner Kontrahent im Kampf um die Kanzlerkandidatur gilt, nimmt den Bundeschef in Schutz. Zwar räumt Nordrhein-Westfalens Sozialminister und CDA-Chef Karl-Josef Laumann ein, dass es in NRW kein großes Problem mit Zahnbehandlungen für Asylbewerber gebe. Aber er fügt hinzu: Merz sei durch und durch Christdemokrat und wolle niemanden ausspielen.
In der CDU allerdings brodelt es. Parteiinterne Kritiker zeigen sich "entsetzt" und "fassungslos". Sie wollen sich öffentlich nicht äußern. Andere in der Union ärgern sich, Merz hätte ja den richtigen Punkt der Kapazitätsgrenzen angesprochen, aber die Art der Kommunikation sei nicht zielführend und verursache zu starke Gegenreaktionen. Sie wollen den Parteichef aber gerade jetzt nicht schwächen. Sie blicken auf die Wahlkämpfer in Hessen und Bayern, für die Streit schädlich sei.
Es ist nicht das erste Mal, dass Aussagen von Merz für Ärger und Kopfschütteln innerhalb und außerhalb der Partei sorgen. Da war etwa die "Sozialtourismus"-Beschuldigung gegen Ukrainer, für die sich Merz entschuldigte, und die Betitelung der CDU als "Alternative für Deutschland mit Substanz" sowie der viel kritisierte "Pascha"-Vorwurf an Kinder mit Migrationshintergrund. Und vor wenigen Monaten sorgte seine Äußerung zur Zusammenarbeit mit der AfD in den Kommunen, den er später konkretisierte, für Wirbel. Ob es diesmal tatsächlich wieder vorbeigeht, dürfte sich erst nach den Landtagswahlen am 8. Oktober zeigen.
dp/fa