"Den meisten Deutschen geht es persönlich gut, auch wenn in der Öffentlichkeit der Eindruck großer Unzufriedenheit vorherrscht" - diese Aussage unterstützten fast zwei Drittel (64 Prozent). Etwas skeptischer sind die Deutschen nach einer anderen repräsentativen Umfrage im Auftrag der Hamburger Stiftung für Zukunftsfragen von British American Tobacco (BAT). Demnach blicken nur 41 Prozent der Befragten mit Optimismus in die Zukunft.
Die Politik kann sich dieses Ergebnis aber nicht zugutehalten, wie Opaschowski betont. Mit dem Krisenmanagement der Regierung sind nur 34 Prozent zufrieden. Anfang 2020 seien es noch 65 Prozent gewesen. Die große Zuversicht zu Beginn der Corona-Krise habe sich verflüchtigt. Besonders bemerkenswert sei der Rückgang bei der 50plus-Generation von 68 auf 32 Prozent. "Das ist ein Absturz sondergleichen", sagte Opaschowski. "Der Staat hat seine Rolle als Kümmerer verloren."
Die Umfrage der BAT-Stiftung zeigt ebenfalls eine verbreitete Politikverdrossenheit. Demnach sind 87 Prozent der Befragten der Ansicht, dass die Politiker 2024 weiter an Zustimmung verlieren werden. Bei der Generation der über 50 Jährigen teilen sogar 92 Prozent diese Einschätzung.
83 Prozent der von Opaschowski und Ipsos Befragten erwarten, dass Politiker und Parteien in gesellschaftlichen Krisenzeiten weitsichtige Lösungsansätze anbieten, die der jungen Generation Mut zur Zukunft machen. Zugleich sind 81 Prozent der Ansicht, dass es für Kinder und Enkel schwieriger wird, ebenso abgesichert und im Wohlstand zu leben wie die Elterngeneration heute.
Die größten Zukunftssorgen der Deutschen seien die Kluft zwischen Arm und Reich, die Wohnungsnot und der Wohlstandsverlust. Es gebe auch zahlreiche Menschen, denen es nicht so gut gehe. Vor allem Geringverdiener und Bewohner kleinerer Städte und Dörfer fühlten sich gesellschaftlich ausgeschlossen. Nur jeweils rund 20 Prozent dieser Menschen vertrauten der Regierung noch.
Migration und Klimawandel spielten in den Einstellungen der Menschen keine große Rolle, selbst die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten nicht, sagte Opaschowski. Der Eindruck sei: "Es kriselt überall." Die Deutschen wünschten sich mehr Zusammenhalt (64 Prozent), zögen sich aber zugleich ins Private zurück. "Die deutsche Gemütlichkeit stirbt nicht, weil die Wagenburg der eigenen vier Wände zum Schutzschirm wird." Dass viele Menschen reiselustig seien, widerspreche dem nicht. "Urlaubsdomizile sind das zweite Zuhause."
Eine andere Studie hatte kürzlich ergeben, dass die Mehrheit der Jugendlichen Angst vor Kriegen habe: 53 Prozent der Befragten nannten Kriege als Grund großer persönlicher Befürchtungen, wie aus der Anfang Dezember in Berlin veröffentlichten Sinus-Jugendstudie im Auftrag der Krankenkasse Barmer hervorging. Im Jahr 2022 waren es sogar 56 Prozent gewesen. Allerdings berücksichtigte die Umfrage von Ende September bis Anfang Oktober noch nicht den Krieg zwischen Israel und der Hamas.
Die Sorge vor Kriminalität und Aggression ist nach Angaben von Opaschowski seit vielen Jahren in Deutschland verbreitet. "Der Umgangston ist aggressiver geworden", stellte der Zukunftsforscher fest. Schon vor längerer Zeit habe er prognostiziert: "Es kann passieren, dass man Aggressivität zur Normalität erklärt." In ihrem Inneren spürten die Bürger aber, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt bedroht sei. Auch darum unterstützten die Befragten mehrheitlich den Appell, mehr zusammenzuhalten und weniger auf Egoismus zu setzen.
Die Gewaltkriminalität in Deutschland war nach vorläufigen Daten der polizeilichen Kriminalstatistik im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund 17 Prozent gestiegen.