Demnach wurden beispielsweise nicht früh genug rote Zonen eingerichtet und deshalb starben Menschen. In solchen Zonen wurden damals besonders stark betroffene Gebiete isoliert. Die Verantwortlichen hätten die Gefahr der Pandemie unzureichend bewertet, was verheerende Folgen hatte. Den nun eingeleiteten Ermittlungen gingen ausführliche Untersuchungen voraus. Die hohe Anzahl der Todesfälle und die fachlichen Einschätzungen von Experten hätten für die Aufnahme der Ermittlungen gesprochen, sagte der Staatsanwalt von Bergamo Antonio Chiappani am Donnerstag.
Die Untersuchung, die von Staatsanwälten in Bergamo, der während der ersten Welle des Virus am stärksten betroffenen Provinz Lombardei, eingeleitet wurde, folgt einer vorläufigen Untersuchung, die Mitte 2020 begann und von Angehörigen von Covid-19-Opfern vorangetrieben wurde. Attilio Fontana, der kürzlich wiedergewählte Präsident der Lombardei, und der ehemalige Gesundheitsrat der Region, Giulio Gallera, werden ebenfalls wegen des angeblichen Versäumnisses der Behörden untersucht, angemessene Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung des Virus zu ergreifen, indem sie die Städte Alzano Lombardo und Nembro unter Quarantäne stellten nachdem es dort zu Ausbrüchen kam.
Bergamo verzeichnete während der ersten Welle des Virus 6.000 zusätzliche Todesfälle, und Staatsanwälte sagen, 4.000 hätten verhindert werden können, wenn die Gebiete sofort unter Quarantäne gestellt worden wären. Ein weiteres entscheidendes Element der Untersuchung wird das angebliche Fehlen eines aktualisierten nationalen Pandemieplans sein, der auf das Jahr 2006 zurückgeht.
Italien gehörte Anfang 2020 zu den ersten europäischen Ländern, in denen sich das Coronavirus dramatisch ausbreitete. Insbesondere Bergamo wurde zum Symbol des durch die Pandemie ausgelösten Leids. Die erschütternden Bilder von Militärlastwagen, die Särge mit Toten in Massen zur Einäscherung aus der Stadt abtransportierten, gingen damals um die Welt. Mit rund 188 000 Corona-Toten zählt Italien zu den am stärksten von der Pandemie betroffenen Ländern der Welt.
Conte zeigte sich nach Bekanntwerden der Ermittlungen zuversichtlich. Er habe in einem der schwierigsten Momente, den Italien je erlebt hat, mit größtem Engagement und vollem Verantwortungsbewusstsein gehandelt, sagte er am Mittwoch. Er wolle zudem mit der Justiz zusammenarbeiten. Auch der damalige Minister Speranza sicherte seine Kooperation zu. Nach seinen Worten muss jeder, der bei der Bewältigung der Pandemie Verantwortung trug, nun auch dafür Rechenschaft ablegen können.
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