Nach einem monatelangen Streit zwischen Tech-Milliardär Elon Musk und der brasilianischen Justiz hat der Oberste Gerichtshof Brasiliens die Sperrung des Online-Dienstes X (ehemals Twitter) angeordnet. Der zuständige Richter Alexandre de Moraes verfügte am Freitag die "sofortige, vollständige und umfassende" Sperrung der Plattform im gesamten Land. Die Maßnahme trat am Samstagmorgen in Kraft und machte den Dienst für Millionen von Nutzern in Brasilien unzugänglich. Musk reagierte auf die Entscheidung mit scharfer Kritik und bezeichnete den Richter als "bösen Diktator".
Der Streit zwischen Musk und dem Obersten Gerichtshof Brasiliens schwelt bereits seit Monaten. Im Mittelpunkt stehen die Vorwürfe, dass X unzureichend gegen die Verbreitung von Hassrede und Fake News vorgeht. Insbesondere wurden mehrere Konten gesperrt, die in Verbindung mit Anhängern des rechtsextremen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro stehen. Diese hatten nach seiner Wahlniederlage im Jahr 2022 unbegründete Behauptungen über vermeintliche Sicherheitsmängel im brasilianischen Wahlsystem verbreitet.
Im April warf Richter Moraes Musk vor, einige der gesperrten Konten wieder aktiviert zu haben, und leitete daraufhin eine Untersuchung ein. Musk beschuldigte Moraes der Zensur und äußerte die Befürchtung, der rechtliche Vertreter von X in Brasilien könnte festgenommen werden. In der Folge schloss Musk die Büros von X in Brasilien Mitte August. Die Plattform blieb jedoch zunächst weiter nutzbar.
Richter Moraes hatte X am Mittwoch eine 24-stündige Frist gesetzt, um einen neuen rechtlichen Vertreter für Brasilien zu benennen. Da das Unternehmen dieser Aufforderung nicht nachkam, ordnete Moraes die Sperrung der Plattform an. Er wies die brasilianische Telekommunikationsbehörde an, "alle notwendigen Maßnahmen" zu ergreifen, um die Anordnung innerhalb von 24 Stunden umzusetzen.
Zusätzlich drohte Moraes Nutzern, die die Sperre mit technischen Lösungen wie VPN-Diensten umgehen, eine Geldstrafe von 50.000 brasilianischen Real (etwa 8.000 Euro) pro Tag an. Diese Anordnung nahm er jedoch nach Kritik wieder zurück. Auch die Aufforderung an Google und Apple, die X-App aus ihren Download-Stores zu entfernen, wurde aufgehoben.
Musk reagierte erbost auf die Sperrung und griff Moraes scharf an. Auf X nannte er den Richter einen "bösen Diktator, der sich als Richter verkleidet". Musk warf ihm vor, die Demokratie in Brasilien zu untergraben und beschuldigte ihn der politischen Einflussnahme. "Die freie Meinungsäußerung ist das Fundament der Demokratie, und ein nicht gewählter Pseudo-Richter in Brasilien zerstört sie für politische Zwecke", schrieb Musk.
Musk, der sich als Verfechter der Meinungsfreiheit präsentiert, hat X jedoch wiederholt genutzt, um rechtsgerichtete Verschwörungstheorien zu verbreiten. Kritiker werfen ihm vor, die Plattform in ein Sprachrohr für demokratiefeindliche Gruppen zu verwandeln, die insbesondere im Umfeld von Jair Bolsonaro agieren.
Die Sperrung von X in Brasilien markiert einen Höhepunkt in einem ohnehin angespannten Verhältnis zwischen Musk und der brasilianischen Justiz. Die Entscheidung kommt zu einem kritischen Zeitpunkt, da X auf Auslandsmärkte wie Brasilien angewiesen ist. In den USA sind die Werbeeinnahmen der Plattform seit dem Rechtsruck unter Musk deutlich gesunken.
Mit über 22 Millionen Nutzern ist Brasilien ein bedeutender Markt für X. Die Sperre trifft die Plattform in einer Phase, in der Einnahmen aus dem Ausland zunehmend an Bedeutung gewinnen. Experten sehen die Entscheidung als Signal dafür, dass die brasilianische Justiz verstärkt gegen die Verbreitung von Desinformation vorgeht – auch gegen große internationale Unternehmen.
Der Streit zwischen Elon Musk und der brasilianischen Justiz könnte weitreichende Konsequenzen für den Social-Media-Riesen X haben. Die Sperrung zeigt, dass nationale Gerichte zunehmend bereit sind, gegen Online-Plattformen vorzugehen, wenn sie deren Inhalte als bedenklich einstufen. Musk sieht sich nun mit der Herausforderung konfrontiert, X in Brasilien wieder nutzbar zu machen, ohne den Forderungen der Justiz nachzugeben – ein Balanceakt, der nicht ohne Risiko ist.
Der Ausgang des Konflikts bleibt abzuwarten, doch die Entscheidung von Richter Moraes ist ein klares Signal: Die Verbreitung von Desinformation wird in Brasilien nicht toleriert – selbst wenn ein milliardenschwerer Tech-Gigant dahintersteht.
Quellen: AFP, Reuters, Bloomberg, The Guardian, BBC News