Zu diesem Zeitpunkt liefen die Systeme der Lufthansa noch. Es spricht viel dafür, dass die Lufthansa über Ersatzleitungen verfügte, auf die am Dienstagabend umgeleitet wurde. Über die Gründe, warum diese Ersatzleitungen dann am Mittwoch den Datenverkehr nicht bewältigen konnten, kann nur spekuliert werden. Das ist auch Gegenstand interner Untersuchungen. Bei Betreibern von kritischer Infrastruktur ist es eigentlich Standard, sich doppelt und dreifach abzusichern, sagt Rüdiger Trost, Experte der IT-Sicherheitsfirma Withsecure. Dabei versuche man auch, Flaschenhals-Konstruktionen zu vermeiden. "Fällt ein IT-System unerwartet aus, so gibt es ein Ersatzsystem, das die Arbeit übernimmt, vergleichbar mit einem Ersatzreifen im Auto." Warum das Umschalten auf die Ersatzleitungen am Mittwoch zu den Ausfällen führte, muss noch geklärt werden.
Das ist nicht genau bekannt. "Hier hat keiner Zeit, das genau zusammenzurechnen", hieß es bei der Lufthansa. Die Planer müssten nicht nur die aktuellen Verwerfungen aufarbeiten, sondern auch den für Freitag geplanten Verdi-Streik an sieben deutschen Flughäfen vorbereiten. Am Frankfurter Flughafen gab es am Mittwoch laut Betreiber Fraport rund 230 Annullierungen vor allem von Lufthansa-Flügen. Bei einer durchschnittlichen Besetzung kommen hier rund 40.000 Passagiere zusammen. Der Schaden dürfte schnell in die Millionenhöhe gegangen sein, und die Lufthansa wird sich mutmaßlich an ihre Dienstleister halten. Eine Bahnsprecherin sagte, die Frage nach der Haftung komme zu früh. "Derzeit klären wir zusammen mit der Telekom und dem bauausführenden Unternehmen, wie es zu dem Schaden kommen konnte." Auch die Lufthansa will statt eindeutiger Schuldzuweisungen zunächst die Sachlage klären.
Zu Flugausfällen oder Verspätungen aufgrund von IT-Problemen kommt es im Luftverkehr immer wieder. Erst im Januar legte eine Computerpanne bei der US-Flugaufsichtsbehörde FAA den Luftverkehr in den Vereinigten Staaten großteils lahm. Insgesamt waren dadurch in den USA mehr als 10.000 Flüge verspätet. Mehr als 1300 fielen aus. Durch den Programmierfehler brach ein System zusammen, das Piloten sicherheitsrelevante Informationen zu bevorstehenden Flügen gibt. Daher erteilte die FAA für einige Stunden ein Startverbot. Im Sommer 2022 war der Luftraum über der Schweiz stundenlang gesperrt, weil es bei der Flugsicherung Skyguide zu einem Hardware-Defekt kam. Betroffen waren gut 7000 Passagiere. 70 Flüge wurden gestrichen.
Die Lufthansa musste am Mittwoch die an anderen Flughäfen gestrandeten Umsteiger unterbringen und versuchen, sie auf einen Flug noch am Mittwoch oder Donnerstag umzubuchen. Dabei kommen keineswegs nur konzerneigene Flüge infrage, sondern auch Verbindungen anderer Gesellschaften. Zu deutschen Zielen und ins nahe Ausland standen Bahnverbindungen zur Verfügung. Ein größeres Problem entsteht beim Gepäck, das ohne die weitergereisten Passagiere in Frankfurt gestrandet ist. Die Auflösung eines derartigen Kofferbergs kann Wochen und Monate dauern, wie sich zuletzt in München zeigte.
Auf den Ticketkosten sitzen bleiben sie nicht. Die geltenden Fluggastrechte sehen Folgendes vor: Fällt der Flug aus oder verspätet sich um mehr als drei Stunden, muss die Airline eine Alternative anbieten - das kann ein anderer Flug oder die Umwandlung des Tickets in eine Bahnfahrkarte sein. Wenn ein Flug storniert wird oder sich um mehr als fünf Stunden verspätet, haben Passagiere neben der Ersatzbeförderung noch eine zweite Option: das Geld zurückverlangen. Dann müssen sie sich selbst darum kümmern, wie sie ans Ziel kommen. Beim Anspruch auf mögliche zusätzliche Entschädigungszahlungen nach EU-Recht bis zu 600 Euro ist die zentrale Frage, ob der Ausfall der IT-Systeme im Verantwortungsbereich der Lufthansa liegt oder nicht. Wenn nicht, würde man von einem außergewöhnlichen Umstand sprechen, und das Unternehmen müsste nicht zahlen. Es gibt unter Rechtsfachleuten verschiedene Ansichten, ob der hier vorliegt.
Der Ausfall hat die Umläufe der meisten Lufthansa-Maschinen durcheinandergebracht. Das ist bei Langstreckenmaschinen problematischer als bei Kurzstreckenjets, die in der Regel abends wieder an ihrem Ausgangsort landen. Im Lufthansa Aviation Center am Frankfurter Flughafen stand den Planern eine Nachtschicht bevor, um den Einsatz von Maschinen und Crews neu zu organisieren und die Passagiere entsprechend umzubuchen. Wenig hilfreich ist dabei der für Freitag angekündigte Verdi-Streik an sieben deutschen Flughäfen, der auch die Drehkreuze Frankfurt und München lahmzulegen droht. Um einen schnellen Wiederanlauf am Samstag zu gewährleisten, müssen die Jets daher bereits am Donnerstagabend an die richtige Position gebracht werden. Mit einigen Verspätungen ist daher auch am Donnerstag zu rechnen.
Nach Angaben der Deutschen Bahn wurde lediglich eine "leicht erhöhte Nachfrage" in den Zügen verzeichnet. "Täglich fahren rund 200 Fernverkehrszüge den Frankfurter Flughafen an. Damit ist der Bahnhof Frankfurt Flughafen der sechstgrößte Bahnhof Deutschlands", teilte der Konzern mit. "Aufgrund der sehr guten Fernverkehrsanbindung des Frankfurter Flughafens hatten die umgestiegenen Fluggäste gute Reisealternativen und die Züge in der Regel auch ausreichend Kapazitäten." Der Wochentag spielte dabei auch eine Rolle: Mittwochs ist im Fernverkehr gewöhnlich nicht so viel los wie freitags kurz vor dem Wochenende.
mit Material der dpa