Anders als im vergangenen Jahr wird es in der Vollversammlung aber keine Abstimmung einer Resolution gegen Russland geben. Im Februar 2023 hatten 141 der 193 Mitgliedstaaten für einen Beschluss gestimmt, der Russlands Präsidenten Wladimir Putin zum Rückzug seiner Truppen aufforderte - ein historisch klares Ergebnis. Ein neuerliches Zeichen der Stärke wird in diesem Jahr nicht erwartet - auch weil das nach hinten losgehen könnte.
Die Stimmung habe sich seit vergangenem Jahr geändert, erklären Diplomaten in New York. Einerseits habe dies mit Israels Krieg im Gazastreifen zu tun, der viel Aufmerksamkeit gebunden habe. Anderseits nähmen einige Länder der Ukraine ihr Abstimmungsverhalten in der Vollversammlung bezüglich Gaza übel: Im Dezember hatte Kiew sich enthalten, als das größte UN-Gremium über einen Resolutionsentwurf für eine Waffenruhe in Nahost abstimmte.
Nach Einschätzung des UN-Experten Richard Gowan von der Denkfabrik Crisis Group gibt es dabei auch Frust gegenüber dem Westen: "Viele nicht-westliche UN-Mitglieder, die zuvor bereit waren, der Ukraine bei den Vereinten Nationen ihre Stimme zu verleihen, haben signalisiert, dass sie sehr enttäuscht darüber sind, dass die USA und einige europäische Mächte sich in Bezug auf Gaza nicht revanchiert haben." Ohnehin sind eine Reihe von Staaten aus dem sogenannten Globalen Süden schon länger zunehmend kriegsmüde und wünschen sich mehr Aufmerksamkeit für ihre Probleme.
Barbock reist vom G20-Außenministertreffen in Rio de Janeiro nach New York. Dort will sie sich auch mit der früheren französischen Außenministerin Catherine Colonna treffen. Colonna leitet eine unabhängige Gruppe von Experten, die die Vorwürfe Israels prüfen, nach denen das UN-Palästinenserhilfswerk (UNRWA) der Hamas nahesteht. In ihrer Zeit als Außenministerin ist Baerbock mehrmals in Verbindung mit dem Ukraine-Konflikt nach New York gereist. Vor der Vollversammlung wird sie am Freitag zum dritten Mal sprechen, im Weltsicherheitsrat zum sechsten Mal.