Am Sonntagabend hatte Baerbock nach Gesprächen mit Israels Präsident Izchak Herzog und dem neuen Außenminister Israel Katz in Jerusalem gesagt, sie habe eine tiefe Sorge über die Gewalt und Vertreibung von Menschen im Westjordanland durch radikale jüdische Siedler. "Diese Gewalt hat seit dem 7. Oktober drastisch zugenommen. Diese Gewalt muss enden." Auch hier stehe die israelische Armee in der Pflicht, Palästinenserinnen und Palästinenser zu schützen. Der illegale Siedlungsbau "stellt ein erhebliches Hindernis für dauerhaften Frieden in der Region dar".
Eine Zweistaatenlösung sei "die einzige Chance, damit Israelis und Palästinenser Seite an Seite in Frieden leben können. Jetzt ist der Moment, diesen Kurs einzuschlagen", sagte Baerbock.
Auslöser des Gaza-Kriegs war der beispiellose Überfall der islamistischen Hamas und anderer palästinensischer Terrorgruppen auf Grenzorte in Israel am 7. Oktober. Dabei wurden nach israelischen Angaben rund 1200 Menschen getötet und rund 240 Menschen in den Gazastreifen entführt. Die Zahl der getöteten Palästinenser ist nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde inzwischen auf mehr als 22.700 gestiegen, mehr als 58.000 Menschen wurden demnach verletzt.
Israelischen Menschenrechtlern zufolge hat es im Westjordanland 2023 mehr registrierte Fälle von Gewalt israelischer Siedler gegen Palästinenser gegeben als zuvor. Laut israelischen Medien nahm in den vergangenen anderthalb Jahren im Westjordanland zugleich die Zahl der Angriffe palästinensischer Attentäter auf israelische Zivilisten und Sicherheitskräfte zu.
Im Sechs-Tage-Krieg hatte Israel 1967 unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Dort leben inzwischen Hunderttausende Siedler inmitten von rund drei Millionen Palästinensern. Die Palästinenser fordern die Gebiete für einen eigenen Staat.
Baerbock forderte Israel am Sonntagabend angesichts des Leids der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gazastreifen auf, zielgenauer vorzugehen und mehr humanitäre Hilfe zu ermöglichen. "Das Leid so vieler unschuldiger Beteiligter kann so nicht weitergehen. Wir brauchen eine weniger intensive Operationsführung", verlangte sie. Zugleich forderte sie von Israel, die Abwicklung von Hilfslieferungen in den Gazastreifen praktikabler zu machen.
Laut Baerbock ist die Bundesregierung offen für die Lieferung von Eurofighter-Kampfjets an Saudi-Arabien. Indem Riad von den jemenitischen Huthis auf Israel abgeschossene Raketen abfange, trage es zur Sicherheit Israels und zur Verhinderung eines Flächenbrandes in der Region bei. "Gerade deshalb sehen wir nicht, dass wir uns als deutsche Bundesregierung den britischen Überlegungen zu weiteren Eurofightern für Saudi-Arabien entgegenstellen", sagte sie.
Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien sind wegen der Menschenrechtslage in dem Königreich und wegen des Eingreifens der aufstrebenden Militärmacht in regionale Konflikte umstritten. Die Bundesregierung hatte im Juli entschieden, die Lieferung von Eurofightern an den reichen Golfstaat bis zum Ende der Wahlperiode im Herbst 2025 zu unterbinden. Die Kampfjets sind ein europäisches Gemeinschaftsprojekt, an dem Deutschland beteiligt ist - Berlin hat deswegen ein Vetorecht bei Exportentscheidungen. Gefertigt werden sie in Großbritannien, das zur Lieferung nach Saudi-Arabien bereit wäre.
Baerbock betonte, gerade Saudi-Arabien kenne seit geraumer Zeit die Gefahr, die von den Huthis für die Sicherheit in der Region ausgehe. "Dass die saudische Luftwaffe dabei auch Eurofighter einsetzt, ist, glaube ich, ein offenes Geheimnis. Das zeigt die Bemühungen Riads um eine bessere Zukunft in der Region."