Dahinter folgen Mobbing (32 Prozent), wenig soziale Kontakte/Einsamkeit (30 Prozent), Zukunftsängste etwa wegen des Klimawandels (29 Prozent) und Konflikte/Probleme in der Familie (27 Prozent). Mehrere Studien belegen, dass die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen die psychische Belastung von Kindern und Jugendlichen verstärkt haben.
Insbesondere Mädchen im Alter von 15 bis 18 Jahren leiden seither häufiger unter Depressionen, Angst- sowie Essstörungen. Dies belegen auch die Diagnose-Daten der KKH-Versicherten. Demnach stieg der Anteil der 15 bis 18 Jahre alten Teenagerinnen mit Angststörungen von 2,4 Prozent im Jahr 2012 auf 5,1 Prozent im vergangenen Jahr. In der gleichen Altersklasse und im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der Diagnose Depressionen bei 15- bis 18-jährigen Mädchen sogar von 3,9 auf 8,7 Prozent und der Diagnose Essstörungen von 1,2 auf 2,0 Prozent.
Die KKH unterstützte ein Forschungsteam des Universitätsklinikums Würzburg bei der Entwicklung eines Präventionsprogramms. Ziel ist es, Jugendliche vor selbstverletzendem Verhalten und Gedanken an Suizid zu schützen. Zunächst befragte das Team dazu rund 880 Schülerinnen und Schüler im Durchschnittsalter von 11 bis 14 Jahren. Elf Prozent von ihnen gaben an, sich selbst zu verletzen, etwa in Form des sogenannten Ritzens.
"Selbstverletzendes Verhalten ist ein außerordentlich häufiges Phänomen im frühen Jugendalter", erläuterte der Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Würzburger Universitätsklinikum, Marcel Romanos. Es sei Ausdruck von starken emotionalen Anspannungszuständen und der mangelnden Fähigkeit, Gefühle adäquat zu regulieren. "Selbstverletzung ist ein Hochrisikofaktor für schwere psychische Erkrankungen wie Depressionen und suizidales Verhalten", betonte Romanos. Die Studie ergab auch, dass 30 Prozent der befragten Schülerinnen und Schüler schon einmal Suizidgedanken hatten.
Entgegenwirken soll das neue Präventionsprogramm "DUDE - Du und deine Emotionen". Es wurde für sechste und siebte Klassen konzipiert und hat der Krankenkasse zufolge das Ziel, die Regulation von Gefühlen zu fördern, die mentale Gesundheit langfristig zu stärken und so psychische Erkrankungen zu vermeiden. Erste Analysen zeigen Klinikdirektor Romanos zufolge vielversprechende Ergebnisse.
Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt*innen (BVKJ), appelliert an die Politik, mehr Geld für die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen auszugeben. "Jetzt geht es darum, die sozialen und leider auch psychischen Folgen der Pandemie für Kinder und Jugendliche aufzufangen", sagte Fischbach. "Das wird nicht gehen, ohne dass die dafür notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen bereitgestellt werden."
Auch nach dem Willen der Bundesregierung sollen deutschlandweit in den Schulen Kinder und Jugendliche mehr Unterstützung für ihre mentale Gesundheit erhalten. In einem Modellprogramm an rund 100 Schulen werden "Mental Health Coaches" entsprechendes Wissen vermitteln sowie über vertiefende Hilfs- und Beratungsangebote informieren, wie Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) vor kurzem ankündigte. Allerdings profitieren von diesen neuen Coaches für seelische Gesundheit erst vergleichsweise wenige Kinder und Jugendliche. Allein in Niedersachsen gibt es rund 2500 öffentliche allgemein bildende Schulen.
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