In dem Verfahren mussten sich seit knapp drei Jahren mehr als 300 mutmaßliche Mitglieder oder Helfer der Mafia vor der Justiz verantworten. Die Staatsanwaltschaft forderte Strafen von bis zu 30 Jahren Gefängnis - für alle Angeklagten insgesamt mehr als 4700 Jahre. Die Verlesung der vielen Urteile zog sich am Montag über mehrere Stunden hin. Die Vorwürfe lauteten von Mord und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung über Drogenhandel und Geldwäsche bis hin zu Korruption bei staatlichen Bauaufträgen.
Die Ndrangheta aus Kalabrien war früher in Italien nur die Nummer drei der verschiedenen Mafia-Organisationen, hinter der Cosa Nostra aus Sizilien und der Camorra aus Neapel. Heute ist sie mit Abstand Italiens mächtigste kriminelle Organisation mit Verbindungen in alle Welt. Das Geschäft mit Kokain in Europa ist nach Einschätzung von Experten weitestgehend in ihrer Hand, auch in Deutschland. Ihr weltweiter Umsatz wird auf mehr als 50 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.
Grundlage für den seit Januar 2021 laufenden Prozess waren Aussagen mehr als 50 verschiedenen Kronzeugen, die der Ndrangheta abgeschworen haben. Normalerweise gilt in der Mafia das "Gesetz des Schweigens" - also, dass niemand Aussagen macht. Nach Einschätzung von Experten besteht die Ndrangheta aus etwa 150 Familien. 1986 wurden schon einmal 475 mutmaßliche Mitglieder der sizilianischen Mafia vor Gericht gestellt. Das Verfahren führte zu mehr als 300 Verurteilungen und 19 lebenslangen Haftstrafen. Dieser Prozess trug dazu bei, viele der brutalen Methoden und mörderischen Strategien der obersten Mafiabosse der Insel aufzudecken, darunter aufsehenerregende Morde, die die Gegend von Palermo während jahrelanger Machtkämpfe erschütterten.