Deutschland wäre schöner ohne die AfD, sagte Gauck. Aber: "Die AfD ist in freien Wahlen gewählt worden, die Gesellschaft hat ihr eine politische Würde zugesprochen", erklärte er. "Ich halte unsere Demokratie für gefestigt genug, mit einer Partei, die nationalpopulistisch bis nationalistisch agiert, so intensiv zu debattieren, dass sie im Meinungsstreit unterliegen wird." In bundesweiten Umfragen erreicht die AfD derzeit 19 bis 22 Prozent. Sie steht damit an zweiter Stelle nach CDU/CSU. Im nächsten Jahr stehen Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen an. Dort kam die AfD zuletzt in Umfragen auf Werte von mehr als 30 Prozent.
Gleichzeitig geht das juristisches Tauziehen um die Überwachung der AfD weiter: So hat ein Gericht die Einstufung der hessischen AfD als Verdachtsfall für den Verfassungsschutz als rechtmäßig beurteilt. Die Partei wehrt sich dagegen: Sie hat Beschwerde gegen einen entsprechenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 14. November in einem Eilverfahren eingelegt. Das bestätigen Partei und Gericht gleichermaßen.
Die Gießener Politologin Dorothée de Nève erwartet bei der rechtspopulistischen Partei in Hessen durch diese Entwicklungen jedoch "keine Verhaltensänderung". Dass sie in verschiedenen Bundesländern unter Beobachtung stehe, sei der AfD bewusst. Die Schwelle zu einem etwaigen Parteiverbot wiederum "ist in einem demokratischen System aus guten Gründen sehr hoch”, erläuterte de Nève.
Laut dem Politikwissenschaftler Sascha Schmidt vom "Beratungsnetzwerk Hessen – gemeinsam für Demokratie und gegen Rechts-Extremismus” ist bei Wählerbefragungen deutlich geworden, dass eine Einstufung der AfD als Verdachtsfall "kaum noch eine abschreckende Wirkung hat: 80 Prozent der AfD-Wähler in Hessen gaben bei der Wahl an, die Partei trotzdem wählen zu wollen, solange sie die richtigen Themen setzt". Auch de Nève erklärte: "Wer die AfD wählt, weiß wem er seine Stimme gibt. Diese Wähler lassen sich dabei kaum von Einschätzungen des Verfassungsschutzes leiten."