Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnete den Anschlag als "ein letztes Zucken des Terrors". Die "Schurken" hätten ihre Ziele nicht erreicht und würden sie niemals erreichen, sagte Erdogan am Mittag in einer Rede vor dem Parlament.
Der Angriff galt offenbar dem Generaldirektorium der türkischen Sicherheitspolizei, das sich im Gebäude des Innenministeriums befindet. Die beiden Attentäter seien gegen 9.30 Uhr in einen kleinen Lieferwagen am Eingang des Generaldirektoriums vorgefahren, schrieb Innenminister Ali Yerlikaya auf dem Kanal X, vormals Twitter. Dort habe sich einer der beiden Angreifer in die Luft gesprengt. Der andere sein von Polizeiposten "neutralisiert" worden, so Innenminister Yerlikaya. Aufnahmen einer Überwachungskamera zeigen, wie einer der Männer aus dem Lieferwagen aussteigt, auf das Gebäude zuläuft und sich in die Luft sprengt. Der zweite Mann folgt ihm, wird jedoch von einer Polizeikugel getroffen, bevor er seinen Sprengsatz zünden kann. Während des Schusswechsels seien zwei Polizisten leicht verletzt worden, schrieb der Innenminister.
Für den Anschlag benutzten die Attentäter ein Fahrzeug, das sie zuvor im 260 Kilometer entfernten Kayseri gestohlen hatten. Den Fahrer des Lieferwagens hätten die Terroristen erschossen, berichtete ein türkischer Ermittler der Nachrichtenagentur Reuters. Kurz nach der Explosion erließ ein Gericht eine Nachrichtensperre. Medien dürfen damit nur noch offizielle Mitteilungen zu dem Attentat verbreiten. Innenminister Yerlikaya forderte dazu auf, Bilder von dem Anschlag aus den sozialen Netzwerken zu löschen. Es seien bereits Ermittlungen gegen Nutzer eingeleitet worden.
Der Anschlag ereignete sich wenige Stunden, bevor in Ankara die Große Nationalversammlung zur ersten Sitzung nach der diesjährigen Sommerpause zusammentreten sollte. Das Parlamentsgebäude ist nur einige Hundert Meter vom Tatort entfernt. Das Parlament begann seine Sitzung am Mittag wie geplant. Es soll in den nächsten Wochen auch über den Nato-Beitritt Schwedens abstimmen, den die Türkei bisher blockiert. Staatschef Erdogan fordert von Schweden ein härteres Vorgehen gegen PKK-Anhänger, die sich in dem skandinavischen Land aufhalten.
Nach dem Anschlag ergriff die Polizei in der ganzen Stadt strikte Sicherheitsmaßnahmen. Gepanzerte Fahrzeuge fuhren auf. Auf den Straßen patrouillierten Beamte der Antiterroreinheiten mit Maschinenpistolen. Der Atatürk-Boulevard, eine Hauptverkehrsstraße, an der viele Regierungsgebäude und ausländische Botschaften liegen, wurde für den Verkehr gesperrt. Auch der betriebsame Kizilay-Platz in der Stadtmitte wurde weiträumig abgesperrt, nachdem Polizisten dort ein verdächtiges Paket entdeckt hatten. Es wurde von Spezialeinheiten der Polizei kontrolliert gesprengt. Was das Paket enthielt und ob es im Zusammenhang mit dem Anschlag stand, blieb zunächst unklar.
Auch über die Identität der Attentäter gab es anfangs keine Klarheit. In der Vergangenheit haben die kurdische Terrororganisation PKK, linksextreme Gruppen und das Terrornetzwerk "Islamischer Staat" in türkischen Städten Anschläge verübt. In Ankara hatte es zuletzt in den Jahren 2015 und 2016 eine Serie von Terroranschlägen gegeben. Zu einigen bekannte sich der "Islamische Staat", zu anderen die PKK. Möglicherweise kommen die Täter auch diesmal aus dem Umfeld der kurdischen Terrororganisation PKK. Sie hat seit den 1980er-Jahren bei Dutzenden Anschlägen über 500 Zivilisten, Polizisten und Soldaten getötet.
Die kurdische Kampforganisation hatte sich in den vergangenen Jahren unter dem wachsenden Druck der Armee weitgehend aus ihrem ursprünglichen Operationsgebiet in der Südosttürkei zurückgezogen. Die meisten PKK-Kämpfer halten sich im Nordirak und in Nordsyrien auf, wo sie aber ebenfalls immer wieder Angriffen der türkischen Streitkräfte ausgesetzt sind. In den türkischen Großstädten wie Ankara und Istanbul hat die PKK aber nach Einschätzung von Terrorismusexperten immer noch Anhänger, die einen solchen Anschlag ausüben könnten.
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