Die FDP, die nur knapp in die Bremische Bürgerschaft einzog, will ebenfalls ihr Profil stärken. FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki sagte der dpa, seine Partei müsse ihren Kurs konsequent fortsetzen und in der Berliner Ampel-Koalition "deutlich wahrnehmbarer" werden. Mit Blick auf die Forderungen der Grünen nach mehr Klimaschutz im Straßenverkehr und beim Heizen sagte er: "Die Menschen können sich auf uns verlassen, dass unsinnige Vorschläge mit den Freien Demokraten keine Mehrheit im Deutschen Bundestag finden werden."
Die SPD hatte die Bremen-Wahl mit großem Abstand vor der CDU gewonnen. Laut der amtlichen Hochrechnung der Landeswahlleitung mit Stand 0.30 Uhr kamen die Sozialdemokraten von Bürgermeister Andreas Bovenschulte auf 29,9 Prozent. Sie konnten damit ihr historisch schlechtes Ergebnis von 2019 (24,9 Prozent) verbessern. Eine Fortsetzung der bisherigen rot-grün-roten Koalition wäre leicht möglich - doch kündigte Bovenschulte an, nicht nur mit Grünen und Linken über ein Bündnis zu sprechen, sondern auch mit der CDU. Der Wahlsieger sprach von einem "grandiosen Ergebnis" für seine SPD, die seit fast 80 Jahren den Bürgermeister stellt. SPD-Bundeschef Lars Klingbeil sah "Rückenwind auch für uns hier in Berlin".
Die Christdemokraten rutschten leicht auf 25,7 Prozent ab (2019: 26,7 Prozent). Spitzenkandidat Frank Imhoff sagte, seine Partei stehe bereit für Sondierungsgespräche mit der SPD. "Wir wollen natürlich mitregieren." CDU-Vize Carsten Linnemann unterstützt dies und sagte, es brauche "einen Neustart für Bremen".
Die Hochrechnung auf Basis der ausgezählten Stimmen bis 0.30 Uhr sei repräsentativ und die letzte, die in der Nacht zum Montag veröffentlich wurde, sagte eine Sprecherin der Landeswahlleitung. Die Hochrechnungen sollten am Montagvormittag ab 10.30 Uhr fortgesetzt werden. Das vorläufige amtliche Endergebnis soll nach Abschluss der Auszählung am Mittwoch (17. Mai) vorliegen. Die Auszählung ist wegen des komplizierten Bremer Wahlsystems langwierig. Bei der Stimmabgabe konnten Wählerinnen und Wähler bis zu fünf Kreuzchen machen.
Die Grünen landeten den Zahlen zufolge mit 11,7 Prozent auf Platz drei, jedoch mit deutlichen Verlusten (2019: 17,4). Spitzenkandidatin Maike Schaefer sprach von einem bitteren Ergebnis und sagte, sie scheue sich nicht, selbst Verantwortung zu übernehmen. Die Regierungskoalition wolle man aber fortsetzen. Grünen-Chef Omid Nouripour räumte ein, es habe "sicher keinen Rückenwind" von den Grünen im Bund gegeben. Querelen um die Personalpolitik und das umstrittene Heizungsgesetz von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatten der Partei zuletzt zugesetzt. Nouripour betonte aber, seine Partei dürfe sich jetzt "nicht in die Büsche schlagen".
Hinter den Grünen konnte sich der dritte Koalitionspartner, die Linke, mit 11,2 Prozent stabilisieren (2019: 11,3). Der Linke-Fraktionschef im Bundestag, Dietmar Bartsch, sagte, nun komme darauf an, diesen Schwung für die gesamte Partei zu nutzen. "Eine wiedererstarkte Linke wird gebraucht in Deutschland." Die Spitzenkandidatin und Bremer Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt hoffte auf schnelle Sondierungsgespräche. Stark zulegen konnte die rechtspopulistische Wählervereinigung Bürger in Wut (BiW), die 9,6 Prozent der Stimmen gewann (2019: 2,4). Die rechtspopulistischen BiW profitierten davon, dass die AfD nicht zugelassen war, weil sie zwei konkurrierende Wahllisten eingereicht hatte. 2019 hatte sie 6,1 Prozent geholt. Die BiW verorten sich selbst zwischen CDU und AfD. Spitzenkandidat Piet Leidreiter sagte, die BiW hätten immer gute Realpolitik gemacht und ein eigenes konservatives Angebot gehabt.
Die FDP schaffte es mit 5,2 Prozent knapp in die Bürgerschaft (2019: 5,9). Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte, dies sei das Hauptziel gewesen. Die SPD erhält laut Hochrechnungen von ARD und ZDF 28 Sitze in der Bürgerschaft. Die CDU kommt demnach auf 24 bis 25 Sitze, die Grünen auf 10 bis 11. Die Linke bekommt 10 Mandate und die FDP 5. Erstmals in Fraktionsstärke zieht die BiW mit 9 Sitzen in die Bürgerschaft ein.
Im kleinsten deutschen Bundesland, dem Zwei-Städte-Staat aus Bremen und dem kleineren Bremerhaven, waren rund 463.000 Menschen zur Wahl aufgerufen. Die einst reiche Hansestadt Bremen mit ihrer Tradition von Seefahrern und Kaufleuten hat einen harten Strukturwandel durchlitten und ist heute hoch verschuldet. Der Anteil von Bürgergeld-Empfängern, früher Hartz IV genannt, liegt laut Statistischem Bundesamt im Ländervergleich mit 17,1 Prozent am höchsten, und auch in der Rangliste der besten Bildungssysteme liegt Bremen laut INSM-Bildungsmonitor 2022 auf dem letzten Platz.
Mit 17,8 Prozent hat das Land nach Angaben des Bremer Sozialressorts im Ländervergleich den höchsten Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte unter den Wahlberechtigten - der bundesweite Durchschnitt liegt bei 11,5 Prozent. Doch ist das Land auch ein starker Wirtschaftsstandort - mit seinen Häfen, dem weltweit zweitgrößten Mercedes-Werk und Unternehmen der Luft- und Raumfahrt.
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